Hypoglykämien nachts: Was können CGM-Systeme leisten?

Nächtliche Hypoglykämien sind ein zentrales Problem bei der Insulintherapie. Dank moderner CGM-Systeme lässt sich das Risiko vorhersagen – und gezielt vorbeugen.

Hypoglykämien nachts: Was können CGM-Systeme leisten?

Detektion

Detektion von nächtlichen Hypoglykämien

Die Vorhersage und Prävention nächtlicher Hypoglykämien (NH) stellt nach wie vor eine zentrale Herausforderung im Diabetesmanagement dar. Hypoglykämien sind eine häufige unerwünschte Nebenwirkung der Diabetestherapie mit Insulin oder bestimmten oralen Antidiabetika (zum Beispiel Sulfonylharnstoffe). Nächtliche Hypoglykämien bezeichnen Blutzuckerwerte < 70 mg/dl während der Schlafphase. Sie entstehen häufig durch Insulinüberdosierung, körperliche Aktivität, unzureichende Nahrungsaufnahme oder Alkoholkonsum am Vortag sowie durch zirkadiane Schwankungen der Insulinsensitivität. NH sind besonders gefährlich, da Warnsymptome wie Zittern und Herzklopfen im Schlaf abgeschwächt sind. Bis zu 51 Prozent der schweren Ereignisse bleiben unbemerkt, was im schlimmsten Fall zu Krampfanfällen oder dem „Dead-in-Bed“-Syndrom führen kann.1,2

Das Problem: Klassische Blutzuckerselbstmessung (SMBG) erfasst nur Patient:innen, die aufgrund einer nächtlichen Hypoglykämie aufgewacht sind. Eine Studie mit älteren Menschen zeigte, dass nur rund jedes zweite NH-Ereignis erkannt wird, wenn CGM als Referenz dient.

CGM-Systeme ermöglichen jetzt erstmals das Erkennen asymptomatischer Episoden während der Nacht und bringen so wertvolle Erkenntnisse zu Häufigkeit, Dauer und Schwere der NH3. Mit der Prädiktionsfunktion Vorhersage für nächtliche Unterzuckerung bietet Accu-Chek SmartGuide einen innovativen Ansatz: Die kontinuierliche Glukosemonitoring-Lösung (CGM) analysiert das individuelle Risiko für eine Hypoglykämie innerhalb der nächsten 7 Stunden und informiert Betroffene vor dem Schlafengehen4,5 – so lassen sich gezielte Präventionsmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel eine Glukosekontrolle oder nächtliche Kohlenhydratzufuhr. Nutzer:innen können zudem die Schlafenszeit personalisieren, um passgenau gewarnt zu werden. Besonders profitieren Menschen mit wiederholten nächtlichen Hypoglykämien oder Sorge davor. Auch diese modernen CGM-Systeme weisen Herausforderungen auf, beispielsweise bei der Sensorgenauigkeit in bestimmten Lagen (Kompressionsartefakte). Die Kombination aus CGM-Daten und smarter Vorhersage durch KI-gestützte Systeme wie Accu-Chek SmartGuide bietet dennoch neue Chancen, NH frühzeitig zu erkennen – und gezielt zu vermeiden.

Vorteile der CGM-Systeme

So kann CGM dabei helfen, nächtliche Hypoglykämien zu erkennen

Kontinuierliche Glukosemesssysteme bieten gegenüber der punktuellen Blutzuckermessung (SMBG) entscheidende Vorteile bei der Erkennung nächtlicher Hypoglykämien. Sie ermöglichen eine lückenlose Glukoseverlaufskontrolle im Schlaf – inklusive Alarme bei unter- oder überkritischen Werten. In diesem Zusammenhang zu beachten ist, dass die Zuverlässigkeit aufgrund von Kompressionsartefakten oder falsch-positiven Hypo-Alarmen eingeschränkt sein kann.

Vorteile von CGM bei Hypoglykämien nachts:

  • Erkennung asymptomatischer Episoden
    Da NH im Schlaf häufig ohne typische Warnzeichen verlaufen, bleiben sie mit SMBG oft unentdeckt. CGM-Systeme erkennen diese Ereignisse in Echtzeit – unabhängig vom Bewusstseinszustand.
     
  • Trendpfeile und Verlaufskurven
    CGM-Systeme liefern neben Momentanwerten auch Trendinformationen. Ein absinkender Glukoseverlauf in den Nachtstunden kann frühzeitig auf eine bevorstehende Hypoglykämie hinweisen.
     
  • Warnfunktionen und Alarmierung
    Bei drohender oder bestehender Hypoglykämie kann das CGM-System akustisch oder visuell warnen. Dadurch wird eine Intervention auch im Schlaf möglich – etwa durch Angehörige oder Pflegepersonal.
     
  • Objektive Datengrundlage für die Therapieanpassung
    Die gesammelten Glukosedaten erlauben eine retrospektive Analyse nächtlicher Muster. So können therapeutische Maßnahmen wie die Anpassung der Insulindosis oder der Kohlenhydratzufuhr vor dem Schlafen evidenzbasiert erfolgen.

Herausforderungen der CGM-Systeme

Diagnostische Herausforderungen der Hypoglykämie nachts

Hypoglykämische Ereignisse in der Nacht, die sich spontan normalisieren, bleiben oft unentdeckt. Ein Grund: Die kapilläre Blutzuckermessung erfolgt meist nur vor dem Schlafengehen und am Morgen

Auch asymptomatische Verläufe oder unspezifische Symptome während des Schlafs erschweren die Erkennung. Ein ausgeprägter Hypoglykämie-Wahrnehmungsverlust („Hypo-Unawareness“) kann das Problem zusätzlich verschärfen.


Daten aus der internationalen HAT-Studie zeigen, wie relevant das Thema ist: Im Mittel traten bei Menschen mit Typ-1-Diabetes 11,3 nächtliche Hypoglykämien pro Jahr auf.6


Kontinuierliche Glukosemonitoring-Systeme (CGM) bieten hier Vorteile, da sie Glukosewerte lückenlos über 24 Stunden erfassen und Trends visualisieren. Dennoch gibt es auch hier Herausforderungen. Folgende Hürden bestehen bei der Detektion der Hypoglykämien in der Nacht im Moment:
 

  • Verzögerte Glukoseanzeige im interstitiellen Gewebe im Vergleich zum Blut kann bei rasch sinkenden Werten zu einem Time Lag führen.
     
  • Sensorgenauigkeit im unteren Glukosebereich ist technisch anspruchsvoll und variiert je nach System.
     
  • Kompressionsartefakte , zum Beispiel durch Liegen auf der Sensorstelle in der Nacht, kann zu falsch niedrigen Werten oder Datenlücken führen.
     
  • Alarm-Fatigue bei häufigen nächtlichen Fehlalarmen kann dazu führen, dass Nutzer:innen Warnungen ignorieren oder Geräte ausschalten.

Trotz dieser Limitationen leisten CGM-Systeme einen wichtigen Beitrag zur frühzeitigen Erkennung und besseren Einschätzung nächtlicher Hypoglykämien. Entscheidend ist, dass Anwender:innen und Behandelnde die Potenziale und Grenzen der Technologie kennen und im Management berücksichtigen.

Pathophysiologie

Pathophysiologie der nächtlichen Hypoglykämie

Hypoglykämien in der Nacht entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel physiologischer Prozesse, die sich im Schlaf verändern. Während des Nachtschlafs kommt es zu einer verzögerten hormonellen Gegenregulation auf fallende Glukosewerte.

Physiologisch erfolgt bei sinkendem Blutzucker eine Freisetzung von kontrainsulinären Hormonen wie Glukagon, Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und Wachstumshormon. Diese Hormone wirken dem Glukoseabfall entgegen – beispielsweise durch Förderung der Glukoneogenese oder Hemmung der Insulinwirkung.

Im Schlaf ist diese Gegenregulation jedoch verlangsamt oder abgeschwächt: 

  • Die Sensibilität für adrenerge Symptome ist vermindert, sodass Warnzeichen wie Schwitzen oder Zittern nicht bewusst wahrgenommen werden.
  • Die Freisetzung von Glukagon und Adrenalin erfolgt zeitverzögert oder in geringerer Intensität.
  • Zusätzlich sinkt der metabolische Bedarf in der Nacht, was die Wirkung von Insulin verstärken kann.

Dieser Zustand kann bei insulinpflichtigen Menschen mit Diabetes das Risiko für eine unbemerkte und prolongierte Hypoglykämie erhöhen – insbesondere bei bereits eingeschränkter Gegenregulation oder Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung.

Eine Unterzuckerung im Schlaf kann verschiedene negative Auswirkungen auf die Patient:innen haben:

  • Störung des Schlafs mit reduzierter Erholung
  • kognitive Einschränkungen am Folgetag
  • erhöhtes Risiko für Demenz
  • Beeinträchtigung der Lebensqualität
  • Verlust der Hypoglykämie-Wahrnehmung
  • erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse
  • gesteigerte psychische Belastung von nahen Angehörigen
  • Gefahr schwerer Hypoglykämien, zum Beispiel mit Bewusstlosigkeit oder Krampfanfällen

Zudem gibt es gesundheitsökonomische Auswirkungen, unter anderem durch erhöhte Behandlungskosten aufgrund von Krankenhausaufenthalten oder Notfalleinsätzen.

Ursachen

Ursachen nächtlicher Hypoglykämien

Hypoglykämien nachts können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden. Häufig stehen diese im Zusammenhang mit der Insulintherapie, dem Tagesverlauf und individuellen Verhaltensmustern

Zu den möglichen Ursachen zählen:

  • Ungleichgewicht zwischen Insulinwirkung und Glukoseangebot:
    Eine zu hohe Insulindosis am Abend oder eine verzögerte Resorption von langwirksamem Insulin kann in der Nacht zu einem Abfall des Glukosespiegels führen.
     
  • Reduzierte Glukosezufuhr:
    Ausgelassene oder zu kleine Abendmahlzeiten, verspätetes Abendessen oder Alkoholkonsum können das Risiko einer nächtlichen Hypoglykämie erhöhen.
     
  • Verzögerte Wirkung körperlicher Aktivität:
    Intensive Bewegung am späten Nachmittag oder Abend senkt den Blutzucker auch noch Stunden später – häufig in den Schlafstunden.
     
  • Veränderte Insulinempfindlichkeit in der Nacht:
    Während des Schlafs kann sich die Insulinwirkung verstärken, was bei gleichbleibender Dosis eine Hypoglykämie begünstigt.
     
  • Gestörter hormoneller Regelmechanismus:
    Die gegenregulatorische Hormonausschüttung ist in der Nacht physiologisch reduziert, sodass Hypoglykämien schlechter kompensiert werden können.
     
  • Verändertes Verhalten oder inadäquate Therapieanpassung: Wie bei Krankheit, unregelmäßigen Tagesabläufen oder Unkenntnis über Insulinwirkprofile.

Wie bei Krankheit, unregelmäßigen Tagesabläufen oder Unkenntnis über Insulinwirkprofile.

Zudem bestehen eine Reihe von Risikofaktoren, die eine Unterzuckerung nachts wahrscheinlicher machen. Dazu gehören:

  • Zudem bestehen eine Reihe von Risikofaktoren, die eine Unterzuckerung nachts wahrscheinlicher machen. Dazu gehören:
  • Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung
  • höheres Lebensalter oder jugendliches Alter (Kinder und Jugendliche haben oft eingeschränktes Hypoglykämie-Wahrnehmungsvermögen)
  • längere Diabetesdauer
  • weibliches Geschlecht
  • hohe Glukosevariabilität (GV)

 

Fazit

Fazit: Hypoglykämien nachts frühzeitig erkennen und gezielt handeln

Nächtliche Hypoglykämien stellen ein relevantes klinisches Problem bei Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes dar. Sie treten häufig unbemerkt auf und können zu schwerwiegenden körperlichen, kognitiven und psychosozialen Folgen führen.

Klassische Messmethoden stoßen bei der nächtlichen Detektion an ihre Grenzen. Moderne kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) können hier helfen, kritische Glukoseverläufe sichtbar zu machen – inklusive Alarmen und Verlaufsgrafiken.

Künstliche Intelligenz (KI) wird dabei zunehmend als Schlüsseltechnologie betrachtet: Sie kann helfen, Glukosedaten zu analysieren, individuelle Muster zu erkennen und vorausschauende Warnsysteme zu entwickeln. Schon jetzt können KI-gestützte Systeme dazu beitragen, personalisierte Therapieentscheidungen zu unterstützen und das Risiko für eine Unterzuckerung nachts weiter zu senken.

FAQ

Hypoglykämien nachts: FAQ

Sie entstehen häufig durch zu hohe Insulindosen, verzögerte Mahlzeiten, Alkohol oder Sport am Abend. Auch individuelle Faktoren wie Alter, Diabetesdauer oder Komorbiditäten können das Risiko erhöhen.

CGM-Systeme liefern kontinuierlich Glukosewerte und Trends – auch nachts. So können kritische Werte frühzeitig erkannt und durch Alarme entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Nächtliche Hypoglykämien bleiben oft unbemerkt, da Symptome im Schlaf nicht wahrgenommen werden. Dennoch kann es zu verschiedenen, negativen Folgen kommen, wie ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive Einschränkungen oder Schlafstörungen.

Etwa durch individuelle Anpassung der Insulintherapie, vorsichtigem Alkoholkonsum und Nutzung von CGM mit Alarmfunktion oder gar Prädiktionsfunktion lassen sich nächtliche Unterzuckerungen unter Umständen vermeiden.

Quellen

1DCCT Research Group. Epidemiology of severe hypoglycemia in the diabetes control and complications trial. Am J Med. 1991;90(4):450-459.

2Gubitosi -Klug RA, Braffett BH, White NH, et al. Risk of severe hypoglycemia in type 1 diabetes over 30 years of followup in the DCCT/EDIC study. Diabetes Care. 2017;40(8):1010-1016.

3Klonoff DC, Ahn D, Drincic A. Continuous glucose monitoring: a review of the technology and clinical use. Diabetes Res Clin Pract. 2017;133:178-192.

4Die Accu-Chek SmartGuide Predict App benachrichtigt Nutzer:innen bei einem voraussichtlichen niedrigen Glukosewert innerhalb der nächsten 30 Minuten (Vorhersage für niedrigen Glukosewert), liefert Vorhersagen für die voraussichtliche Glukoseentwicklung in den nächsten 2 Stunden (Glukosevorhersage) und zeigt das voraussichtliche Risiko einer nächtlichen Hypoglykämie in den nächsten 7 Stunden (Vorhersage für nächtliche Unterzuckerung, aktiv zwischen 21:00 und 02:00 Uhr). Für die Nutzung der Vorhersagefunktionen ist eine Internetverbindung erforderlich.

5Wenn das Risiko für die erste Nachthälfte (die ersten 3,5 Stunden) und die zweite Nachthälfte (die letzten 3,5 Stunden) unterschiedlich ist, hebt die Vorhersage für nächtliche Unterzuckerung das Zeitfenster mit hohem Risiko in der Benachrichtigung hervor.

6Khunti K, Alsifri S, Aronson R, et al. Rates and predictors of hypoglycaemia in 27 585 people from 24 countries with insulin-treated type 1 and type 2 diabetes: the global HAT study. Diabetes Obes Metab. 2016;18(9):907-915.
 

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