Füße schützen und diabetisches Fußsyndrom vermeiden

Dauerhaft erhöhte Glukosespiegel oder starke Blutzuckerschwankungen bei Diabetes können etliche weitere Erkrankungen begünstigen. Hierzu zählen auch chronische und schwer heilende Wunden an den Füßen. Hier erfahren Sie, welche Faktoren zur Entstehung eines solchen diabetischen Fußsyndroms beitragen und wie man das Risiko für diese Komplikation möglichst gering halten kann.

Füße schützen und diabetisches Fußsyndrom vermeiden

Diabetisches Fußsyndrom: Folgeerkrankung von Diabetes

Hohe Blutzuckerwerte können den Nervenbahnen und Blutgefäßen Schaden zufügen. Dadurch entstehen leichter Wunden am Fuß, die sich infizieren und oft nur schwer abheilen. Fachleute sprechen dann von einem diabetischen Fußsyndrom (DFS). Bei einem Teil der Betroffenen entsteht das DFS durch Diabetes-bedingte Nervenschäden (Fachbegriff: diabetische Polyneuropathie). Hiervon sind schätzungsweise ein Drittel aller Menschen mit Diabetes betroffen.1 In anderen Fällen sind Gefäßschäden und daraus folgende Durchblutungsstörungen der Auslöser für das diabetischen Fußsyndrom. Hierzu zählt zum Beispiel die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), von der rund 20 Prozent aller Menschen mit Diabetes betroffen sind.2 Häufig sind aber Nervenschäden und Durchblutungsstörungen gleichermaßen für die Entstehung verantwortlich.

Ein kleines Steinchen im Schuh kann ernsthaft verletzen

Unter einem diabetischen Fußsyndrom verstehen Expert:innen grundsätzlich alle krankhaften Veränderungen am Fuß eines Menschen mit Diabetes mellitus.3 Hierzu können bereits besonders ausgeprägte Hornhautschwielen zählen. Doch meist denkt man beim DFS an Geschwüre (Ulzera) oder abgestorbenes Gewebe (Nekrosen), die sich als Folge wiederholter Verletzungen entwickeln können. Manchmal reicht bereits ein harmloses kleines Steinchen im Socken oder ein schlecht sitzender Schuh aus, um den Fuß ernsthaft zu verletzen.

Wenn kleine Verletzungen an den Füßen zu spät bemerkt werden, können sie sich zu tiefen Geschwüren und chronischen, schwer heilenden Wunden entwickeln. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund von Gefäßschäden die Wundheilung gestört ist.

Wer Verletzungen nicht spürt, nimmt sie weniger ernst

Das diabetische Fußsyndrom als Folgeerkrankung des Diabetes ist mit vielen Tabus behaftet. Denn häufig fallen betroffene Füße erst spät auf und sind für Außenstehende und auch medizinisches Fachpersonal ohne besonderen Bezug zum DFS nur schwer nachvollziehbar. Doch wenn infolge einer diabetischen Neuropathie das Schmerzempfinden eingeschränkt ist, geht auch die natürliche Warnfunktion des Schmerzreizes verloren.4

Viele Menschen mit diabetischem Fußsyndrom neigen dann dazu, die Symptome kleiner Verletzungen nicht ernst genug zu nehmen und begeben sich zu spät in ärztliche Behandlung. Außerdem belasten sie ihren lädierten Fuß häufig zu stark oder tragen zu enge Schuhe.

Viele Betroffene leiden erheblich unter ihrer Situation und entwickeln Depressionen oder andere psychische Erkrankungen.

All dies führt dazu, dass die Behandlung eines diabetischen Fußsyndroms komplex und häufig auch langwierig ist. Doch unzureichend behandelt ist der Fuß in vielen Fällen nicht mehr zu retten und muss amputiert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) geht davon aus, dass pro Jahr mehr als 40.000 Zehen, Füße oder Unterschenkel aufgrund von Gewebedefekten wie dem DFS amputiert werden.5

Aktive Vorsorge senkt das Risiko für das diabetische Fußsyndrom

Doch so weit muss es zum Glück nicht kommen! Denn es gibt eine Reihe von Möglichkeiten zur aktiven Vorsorge, um das Risiko für ein diabetisches Fußsyndrom gering zu halten:

  • Diabetesbehandlung: Blutzucker- beziehungsweise Glukosewerte im Zielbereich und ohne starke Schwankungen reduzieren das Risiko für Gefäß- und Nervenschäden und damit auch für ein DFS. Ebenso profitieren Ihre Nerven und Gefäße davon, wenn Sie nicht rauchen, sich gesund ernähren und sich regelmäßig bewegen.
  • Fußinspektion: Untersuchen Sie selbst regelmäßig Ihre Füße und achten Sie dabei auf kleinste Veränderungen wie Missempfindungen, Rötungen, Schwellungen oder Wunden. Im Zweifel sprechen Sie bitte Ihr Behandlungsteam auf die festgestellten Veränderungen an.
  • Fußpflege: Menschen mit Diabetes haben häufig trockene Haut, deshalb sollten Sie ihre Füße regelmäßig eincremen, um die Haut geschmeidig zu halten. Auch eine professionelle medizinische Fußpflege, bei der überschüssige Hornhaut und Schwielen abgetragen und die Nägel korrekt gekürzt werden, tut Ihren Füßen gut. Sofern in der Diabetes-Praxis bereits erste Nervenschäden festgestellt wurden, kann in der Regel eine medizinische Fußpflege auch auf Rezept erfolgen.
  • Fußübungen: Die AG Diabetes, Sport und Bewegung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) hat eine Broschüre zu Fußübungen für Menschen mit Diabetes herausgegeben.6 Die Übungen helfen dabei, die Gelenkbeweglichkeit, die Muskelfunktion und das Gefühl in den Füßen zu verbessern. Gleichzeitig stärken sie das Gleichgewicht und die Bewegungskontrolle.
  • Fußuntersuchung: Menschen mit Diabetes sollten mindestens einmal jährlich im Rahmen ihrer Routinekontrollen in der Diabetes-Praxis auch ihre Füße untersuchen lassen. Dabei wird beispielsweise getestet, ob sie Vibrationen an den Füßen, die Kälte eines Metallgegenstandes oder leichte Berührungen noch gut wahrnehmen.1

Insbesondere die regelmäßige Fußuntersuchung ist wichtig, denn etwa bei der Hälfte aller Patient:innen bereitet eine diabetische Neuropathie so gut wie keine Beschwerden.1 Und auch mit einem gewissenhaften Diabetesmanagement lassen sich Schäden an Nerven oder Gefäßen nicht hundertprozentig ausschließen. Allerdings wird das Neuropathie-Screening noch längst nicht von allen Menschen mit Diabetes genutzt.7

Therapie des diabetischen Fußsyndroms in der spezialisierten Fußambulanz

Eines lässt sich allerdings nicht leugnen: Nicht immer gelingt es, einen diabetischen Fuß zu vermeiden. Ob im Früh- oder Endstadium ist es wichtig, sich an spezialisierte Einrichtungen wie Fußambulanzen oder Fußnetze zu wenden, in denen verschiedene Berufs- und Fachgruppen zusammenarbeiten und sich austauschen:

  • Innere Medizin, Allgemeinmedizin, Diabetologie: Zuständig für die Behandlung der Grunderkrankung, in erster Linie also des Diabetes. 
  • Gefäßchirurgie, Angiologie: Verantwortlich für die Therapie von Gefäßerkrankungen wie der PAVK (zum Beispiel mit einer Stent-Einlage, Ballondilatation oder Bypass-Operation).
  • Chirurgie: Operatives Entfernen von abgestorbenem Gewebe und Vorbereitung der Wunde auf die weitere Therapie. Aber auch fußchirurgische Korrektur von Deformitäten und Fehlstellungen (beispielsweise Hammerzehen oder Hallux valgus), die das Entstehen eines DFS begünstigen.
  • Orthopädietechnik: Anpassung geeigneter Schuhe für draußen und für Innenräume, um die Füße von übermäßigem Druck zu entlasten und vor Verletzungen zu schützen. Bei Bedarf (wie bei Spreiz- oder Plattfüßen) erfolgt eine Anpassung von Einlagen.
  • Wundfachkräfte, Pflegedienste: Behandlung der Wunden mit geeigneten Wundauflagen, je nach aktuellem Heilungsstadium.
  • Dermatologie: Wundbehandlung und Hautuntersuchungen im Verlauf der DFS-Behandlung.
  • Psychologie: Menschen mit DFS benötigen häufig auch psychosoziale Begleitung, denn die Erkrankung beeinträchtigt die Lebensqualität oft erheblich. Umgekehrt kann eine bestehende Depression auch die Fähigkeit zur Selbstfürsorge vermindern und damit ein DFS überhaupt erst begünstigen.8

Zweitmeinung einholen und Amputation vermeiden

Durch eine rechtzeitige und fachübergreifende Therapie in spezialisierten Einrichtungen kann eine Amputation in vielen Fällen verhindert werden. So geht das Netzwerk Diabetischer Fuß davon aus, dass 75 Prozent der Amputationen durch rechtzeitige Maßnahmen vermeidbar sind.9

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig zu wissen, dass Patient:innen seit 2020 ein Recht auf das Einholen einer Zweitmeinung haben, wenn ihr Behandlungsteam ihnen eine Amputation empfiehlt. So kann im Individualfall geprüft werden, ob weitere alternative therapeutische Optionen ausgeschöpft werden können.10

Eine Zweitmeinung einzuholen, hat übrigens nichts mit mangelndem Vertrauen in das eigene Behandlungsteam zu tun. Doch nicht alle Ärzt:innen sind gleichermaßen spezialisiert auf die Behandlung eines diabetischen Fußes. Dabei lohnt sich häufig der Versuch, eine Wunde doch noch weiter zu behandeln und die Mobilität zu erhalten, statt einen Teil des Fußes zu amputieren.11

Quellen

1 Nationale Aufklärungsinitiative zur diabetischen Neuropathie „Hören Sie auf Ihre Füße?“. Abgerufen am 20. März 2024, von www.nai-diabetische-neuropathie.de.

2 Werner T: Besonderheiten der PAVK bei Diabetes. Diabetologie Online. Abgerufen am 20. März 2024, von www.diabetologie-online.de/a/besonderheiten-der-pavk-bei-diabetes-17975….

3 Morbach S et al. Diabetisches Fußsyndrom Diabetol Stoffwechs 2023; 18 (Suppl 2): S381–S392 (Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft).

4 Eckhard, Engels: (Wund-)Management beim diabetischen Fußsyndrom (DFS). Die Diabetologie. Abgerufen am 20. März 2024, von https://doi.org/10.1007/s11428-023-01104-6. 

5 Pressemitteilung der DGG ‚Wundtherapie beim Diabetischen Fußsyndrom’ vom 14.3.2022, Abgerufen am 20. März 2024, von https://www.gefaesschirurgie.de/die-dgg/aktuelles/nachricht/wundtherapi…;

6 Ressourcen für Behandler: Broschüre Fußübungen für Menschen mit Diabetes. Abgerufen am 20. März 2024, von https://ag-fuss-ddg.de/die-ddg/arbeitsgemeinschaften/diabetischer-fuss/….

7 Ziegler D: Nerven bewahren: Diabetische Neuropathie erfolgreich diagnostizieren und therapieren, CME-Kurs o.D., Abgerufen am 20. März 2024, von www.cme-kurs.de/kurse/diabetische-neuropathie-erfolgreich-diagnostizier….

8 Wiener klinische Wochenschrift 135; 164-181 (20.4.2023): Diabetische Neuropathie und diabetischer Fuß (Update 2023), Abgerufen am 20. März 2024, von https://link.springer.com/article/10.1007/s00508-023-02167-7.

9 Netzwerk Diabetischer Fuß – Kampagne ‚Amputation verhindern!‘. Abgerufen am 20. März 2024, von https://www.amputation-verhindern.de/sites/view/3.

10 Kampagne ‚Amputation – nein danke!‘. Abgerufen am 20. März 2024, von https://amputation-nein-danke.de/ihr-gutes-recht-zweitmeinungsverfahren/.

11 Anspruch auf Zweitmeinung gesichert. In: Vitamin X – das Gesundheitsmagazin für Köln, Ausgabe 1.2022. Abgerufen am 20. März 2024.