Mobilität: Führerschein und Autofahren mit Diabetes

Mit Diabetes zu fahren, kann eine Herausforderung sein. Lesen Sie, wie Sie sicher unterwegs sind und was Expert:innen empfehlen, um Unfälle zu vermeiden. 

Autofahren mit Diabetes: Person im Auto im Stadtverkehr.

Mit Diabetes im Straßenverkehr: Stellt Autofahren eine Gefahr dar?

 

Menschen mit Diabetes dürfen selbstverständlich Autofahren und unter bestimmten Voraussetzungen auch Lastwagen oder Busse steuern. Sie sind zwar statistisch betrachtet etwas häufiger in Unfälle verwickelt als Personen ohne Diabetes. Doch wer seine Glukosewerte im Blick hat, nicht zu Unterzuckerungen neigt und keine Folgeerkrankungen hat, muss sich um seine Fahrtauglichkeit nur wenig Sorgen machen.

Auch wenn immer mehr Strecken mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, benötigen nach wie vor viele Menschen einen Führerschein, um individuell mobil zu sein. Das gilt natürlich auch für Menschen mit Typ-1- sowie Typ-2- Diabetes. Allerdings können Diabeteskomplikationen wie unbemerkte Hypoglykämien am Steuer die Gefahr von Verkehrsunfällen erhöhen. Das geht aus etlichen wissenschaftlichen Untersuchungen hervor – je nach Studie kommen die Forschenden auf ein um 11 bis 28 Prozent erhöhtes Risiko. Besonders gefährdet sind dabei insulinbehandelte und ältere Personen.1,2 Es gibt zwar etliche andere Erkrankungen, die das Unfallrisiko zum Teil deutlich stärker erhöhen als Diabetes, wie beispielsweise Depressionen, ADHS, Suchterkrankungen und Epilepsie. Doch weil diese Erkrankungen jeweils seltener auftreten als die Volkskrankheit Diabetes, fallen sie nicht so stark ins Gewicht.

Diabetes und Fahrtauglichkeit: Mögliche Ursachen für Verkehrsunfälle

 

Es gibt eine ganze Reihe möglicher medizinischer Ursachen für Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Diabetes:

  • Gefährliche Unterzuckerungen (Hypoglykämien), wie sie bei einer Therapie mit Insulin oder bestimmten anderen Diabetesmedikamenten (zum Beispiel Sulfonylharnstoffe) auftreten können. Gefährlich ist dies, weil bei Hypoglykämien Denken und Handeln sowie die Ausführung komplexer Aufgaben deutlich eingeschränkt sind. Daher besteht für Menschen mit Diabetes, die zu schweren Unterzuckerungen neigen, ein Fahrverbot.
  • Akut hohe Glukosewerte (Hyperglykämien) können schläfrig oder unkonzentriert machen und auf diese Weise das Unfallrisiko erhöhen. 
  • Im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt es bei vielen Menschen zu nächtlichen Atemaussetzern (Schlaf-Apnoe-Syndrom), die zu Tagesmüdigkeit führen können. Dies gilt auch für manche Medikamente, die bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden.
  • Sehstörungen infolge von diabetesbedingten Schäden an der Netzhaut des Auges (Retinopathien) machen das Autofahren mit Diabetes ebenfalls riskant. 
  • Wer als Folge seines Diabetes Nervenschäden an den Füßen (Neuropathie) hat, tritt möglicherweise nicht mehr so sicher auf das Bremspedal wie früher. 
  • Bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, von denen Menschen mit Diabetes häufiger als die Allgemeinbevölkerung betroffen sind, treten Symptome wie Antriebslosigkeit, Energiemangel, Tagesmüdigkeit, verminderte Konzentration und Schlafstörungen bis hin zu Selbstmordgedanken auf. Autofahren wäre in einem solchen Zustand äußerst riskant. Auch Medikamente wie Antidepressiva können müde machen und damit die Fahreignung beeinträchtigen.
  • Mit einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung, für die Menschen mit Diabetes ebenfalls ein erhöhtes Risiko haben, sollte der Führerschein abgegeben werden.

Auch Menschen mit diabetischer peripherer Polyneuropathie sollten vorsichtig mit dem Autofahren sein: Vor allem wenn die Füße betroffen sind, kann eine Polyneuropathie die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.

Diabetes-Technologie reduziert das Risiko für Komplikationen beim Autofahren

 

Beim diesjährigen Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im Mai 2023 in Berlin wurden die Unfallrisiken von Menschen mit Diabetes im Straßenverkehr ausführlich diskutiert.3 Hintergrund war die anstehende Aktualisierung der Leitlinie „Diabetes und Straßenverkehr“, die für den Herbst 2023 erwartet wird. Die derzeitige Version stammt aus dem Jahr 2017.4 Seither hat sich insbesondere auf dem Gebiet der Diabetes-Technologie viel getan. Immer mehr Menschen mit Typ-1-, aber zunehmend auch mit Typ-2-Diabetes nutzen die kontinuierliche Glukosemessung (CGM). Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes sind Systeme zur automatisierten Insulindosierung (AID) auf dem Vormarsch. Der Einsatz von Diabetes-Technologie verbessert zum einen die Therapieergebnisse, kann nach Einschätzung der Expert:innen aber auch die Teilnahme am Straßenverkehr sicherer machen:

  • Bereits der alleinige Einsatz von Insulinpumpen verringert nachweislich das Risiko für Hypoglykämien, weil sich die Insulinzufuhr genauer anpassen und steuern lässt. 5
  • Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) wiederum kann durch Trendpfeile, (Vor-)Alarme sowie das Anzeigen von Hypoglykämien das Risiko weiter verringern. Voraussetzung ist, dass die Alarmgrenzen sinnvoll eingestellt und die Alarme auch beachtet werden.
  • Systeme zur automatisierten Insulindosierung (AID) reagieren auf eine vom CGM-System gemeldete Unterzuckerung mit einer Verringerung der Insulingabe. Außerdem erkennt ihr Algorithmus Muster im Glukosestoffwechsel und passt die Insulinzufuhr daran an. Damit erhöht sich die Sicherheit noch einmal weiter.6
     

Verkehrsunfall mit Diabetes: Das raten Rechtsexpert:innen

 

Trotz all dieser technischen Erleichterungen bleibt ein Restrisiko, aufgrund des Diabetes in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Kommen dabei Menschen zu Schaden, drohen den Verurteilten hohe Strafen, etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar Tötung. Für Menschen mit Diabetes steht in solchen Fällen also einiges auf dem Spiel - Führerscheinentzug, Fahrverbote bis hin zu Bewährungs- und Haftstrafen. War die Unfallursache eine Hypoglykämie, muss zunächst die Unterzuckerung selbst rechtssicher nachgewiesen werden. Doch genau das kann unter Umständen schwierig sein – denn wenn der herbeigerufene Notarzt den Patienten beziehungsweise die Patientin untersucht, kann der Blutzuckerspiegel längst wieder im Normbereich liegen. Ist das Vorliegen einer Hypoglykämie unstrittig, muss darüber hinaus nachgewiesen werden, dass diese nicht vermeidbar war. In Zeiten von CGM-Sensoren und AID-Systemen stellt sich nach Einschätzung von Fachanwälten auch Richtern und Opferanwälten die Frage, wieso jemand eine Hypoglykämie nicht bemerkt und rechts ranfährt, um sie zu behandeln.7  Wichtig zu wissen: In rechtlichen Auseinandersetzungen können jegliche Beweismittel gegen den Patienten beziehungsweise die Patientin verwendet werden. Rechtsexpert:innen raten daher, im Falle eines Verkehrsunfalls keine Aussagen gegenüber der Polizei zu machen, CGM-Geräte oder andere Beweismittel nicht auszuhändigen und sich rechtlichen Beistand zu holen.

Tipps zum sicheren Autofahren mit Diabetes

 

Damit es gar nicht erst soweit kommt, sollten Menschen mit Diabetes im Straßenverkehr ein paar grundsätzliche Vorsichtsmaßnahmen beachten:

  • Vor dem Fahrtantritt den Blutzucker- beziehungsweise Glukosewert checken, ob nun mit einer klassischen Blutzuckermessung oder mit einem CGM-Gerät. Wer die gemessenen Werte in einem Blutzuckertagebuch oder in einer App dokumentiert, ist nach einem Unfall besser für einen gegebenenfalls unvermeidlichen Rechtsstreit gewappnet.
  • Die Fahrt auf keinen Fall mit einem zu niedrigen Blutzucker- beziehungsweise Glukosewert antreten: Mit einem Wert oberhalb von 100 mg/dl (5,5 mmol/l) und unterhalb von 200 mg/dl (11,1 mmol/l) ist man auf der sicheren Seite.
  • Für den Fall einer akuten Unterzuckerung immer Traubenzucker oder andere schnellwirksame Kohlenhydrate bereithalten.
  • Regelmäßig Pausen einlegen, in denen der Blutzucker- beziehungsweise Glukosewert erneut gecheckt werden kann.
     

Klären Sie außerdem mit Ihrer Diabetespraxis, inwiefern sich vorhandene Folge- oder Begleiterkrankungen und deren Therapie auf die Fahrtüchtigkeit auswirken.

Quellen

1  Hostiuc S. et al. Int J Clin Practicde 2016 (70); 7: 554-568, doi.org/10.1111/ijcp.12832 [zuletzt aufgerufen am 8.8.2023]

2 Skyving M. et al. Accident Analysis & Prevention 2021 (163),106434, https://doi.org/10.1016/j.aap.2021.106434 [zuletzt aufgerufen am 8.8.2023].

3 Sitzung „Aktualisierung der AWMF-LL der DDG „Diabetes und (Straßen-) Verkehr“ – Erste Vorstellung der Neuerungs-Highlights“ beim DDG-Kongress am 18.5.2023 in Berlin

4 Website der DDG, siehe https://www.ddg.info/behandlung/leitlinien [zuletzt aufgerufen am 8.8.2023]

5 Vortrag des Psychologen Prof. Bernhard Kulzer bei der Sitzung „Aktualisierung der AWMF-LL der DDG „Diabetes und (Straßen-) Verkehr“ – Erste Vorstellung der Neuerungs-Highlights“ beim DDG-Kongress am 18.5.2023 in Berlin

6 Jiao X et al. BMJ Open Diabetes Res Care 2022 Apr;10(2):e002633., DOI: 10.1136/bmjdrc-2021-002633 [zuletzt aufgerufen am 8.8.2023]

7 Vortrag von Rechtsanwalt Oliver Ebert bei der Sitzung „Aktualisierung der AWMF-LL der DDG „Diabetes und (Straßen-) Verkehr“ – Erste Vorstellung der Neuerungs-Highlights“ beim DDG-Kongress am 18.5.2023 in Berlin