Kleiner Piks, großer Schutz: Impfungen bei Diabetes

Besonders im Herbst kommt jedes Jahr das Thema Grippeimpfung auf. Aufgrund ihrer Vorbelastung sollten sich Menschen mit Diabetes grundsätzlich um ausreichenden Impfschutz kümmern, nicht nur in Sachen Influenza oder Corona. Welche Empfehlungen gelten allgemein für Menschen mit Diabetes und wie hängen Impfungen und Diabetes zusammen? Hier erfahren Sie es!

Ärzt:in gibt Spritze in den Oberarm einer Patientin: Impfungen sind für Menschen mit Diabetes wichtig.

Warum Impfungen für Menschen mit Diabetes besonders wichtig sind

Impfungen zählen zu den wichtigsten Errungenschaften der Medizin überhaupt. Sie verhindern im besten Fall verschiedene Infektionskrankheiten, die ohne ausreichenden Impfschutz einen schweren Verlauf haben können. Außerdem stoßen auch Ärzt:innen bei der Therapie dieser Erkrankungen an ihre Grenzen, da deren Ursache oft nicht behandelbar ist. Deshalb heißt die Devise: Vorsorge ist besser als Nachsorge – gerade auch für Menschen mit Diabetes.

Stoffwechselstörungen begünstigen Infektionen

Insbesondere für Personen mit chronischen Erkrankungen – wie zum Beispiel Diabetes mellitus – sind Impfungen überaus wichtig. Denn Menschen mit Diabetes können anfälliger für Infekte sein als gesunde Personen ohne Begleiterkrankung. Zudem besitzen sie ein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe sowie Komplikationen, welche außerdem häufiger zum Tod führen als bei Stoffwechselgesunden.1

Das liegt daran, dass bei Menschen mit Diabetes der Stoffwechsel beeinträchtigt ist und erhöhte Blutzucker- sowie Blutfettwerte vorliegen können. Hierdurch verschlechtern sich Durchblutung und Immunabwehr der Betroffenen. Auch diabetische Folgeschäden an Gefäßen und Nerven steigern das Infektionsrisiko.2

Neue Studien bestätigen häufigere Komplikationen bei Infektion

Was bereits aus früheren Studien bekannt war, konnte eine groß angelegte Studie 2021 erneut bestätigen. Über 3 Jahrzehnte begleiteten die Forschenden rund 12.000 Proband:innen und zeigten, dass Menschen mit Diabetes ein 1,7-fach höheres Risiko haben, aufgrund einer Infektion im Krankenhaus behandelt werden zu müssen oder sogar zu versterben.3 Neben Lungenentzündungen (Pneumonien) und Entzündungen der Harnwege treten beispielsweise auch Haut- und Weichteilinfektionen gehäuft auf. Aber auch Grippe- und Herpesviren können bei Menschen mit Diabetes manchmal zu bedrohlichen Infektionen führen.4

Daher ist ein ausreichender Schutz durch entsprechende Impfungen für Menschen mit Diabetes – ganz gleich ob Typ-1 oder Typ-2 – umso wichtiger.5 Impfungen helfen, einer potenziellen Ansteckung vorzubeugen bzw. den Krankheitsverlauf deutlich abzumildern.

Diese Impfungen sollten bei Menschen mit Diabetes im Impfpass vermerkt sein

Deshalb sollte bei Menschen mit Diabetes eine Reihe von Impfungen im Impfpass vermerkt sein. So empfiehlt die STIKO – unabhängig vom Lebensalter und einem bestehenden Diabetes – für alle Erwachsenen (ab 18 Jahren) eine Auffrischimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten (Pertussis) als Dreifach-Impfung alle 10 Jahre. Bei Bedarf wird auch eine Nachimpfung für Polio und Masern empfohlen.6

Eine klare Impfempfehlung spricht die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) auch in Sachen Influenza und Pneumokokken aus. Denn eine Virusgrippe (Influenza) sowie eine durch Pneumokokken ausgelöste Lungenentzündung (Pneumonie) sind für Menschen mit Diabetes besonders gefährlich und können auch bei stabiler Stoffwechsellage auftreten. Daher empfiehlt die STIKO Menschen mit Diabetes

  • 1 Mal im Jahr die Grippeimpfung7 sowie
  • alle 6 Jahre die Pneumokokken-Impfung8.

Die Impfung gegen Grippe sollte idealerweise im Herbst erfolgen, um rechtzeitig zur kalten Jahreszeit den vollen Impfschutz zu bieten.

Außerdem ist für Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes ab einem Alter von 50 Jahren die Impfung gegen Gürtelrose (Herpes Zoster) empfehlenswert. Denn bei ihnen ist zum einen das Infektionsrisiko um etwa 20 % erhöht. Zugleich erhöht eine Infektion mit Herpes Zoster das Risiko für eine Neuropathie. Die Gürtelrose-Impfung besteht aus 2 Impfungen mit einem Totimpfstoff im Abstand von 2 bis 6 Monaten.7

Weiterhin empfiehlt die STIKO besonders gefährdeten Personengruppen auch die Impfung gegen Hepatitis B im Erwachsenenalter.9 Hierzu zählen unter anderem Dialysepatient:innen. Diabetes ist einer der häufigsten Gründe für Nierenversagen und Blutwäsche (Dialyse). Daher ist die Impfung gegen Hepatitis B für diese Gruppe von Menschen mit Diabetes relevant.

Diabetes und Corona: Jährliche Impfung weiterhin sinnvoll

Wie verhält es sich mit der vergleichsweise neuen Impfung gegen Corona (SARS-CoV-2)? Menschen mit Diabetes zählen wegen der höheren Infektionsgefahr zur Risikogruppe. Besonders wenn die Blutzuckerwerte stark schwanken, diabetesbedingte Begleit- und Folgeerkrankungen bestehen oder weitere gesundheitliche Einschränkungen vorliegen, ist das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf erhöht. Mittlerweile ist die Pandemie zwar beendet und die Mehrheit der Bevölkerung immunisiert. Die aktuell zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten verursachen auch seltener schwere Krankheitsverläufe. Dennoch betont das Robert Koch-Institut (RKI), dass ältere Menschen und vorerkrankte Personen weiterhin ein hohes Risiko haben, schwer an COVID-19 zu erkranken und zu versterben.10

Die STIKO spricht sich in Sachen Corona klar für die Impfung von Menschen mit Diabetes aus. Personen mit bestimmten Vorerkrankungen (hierzu zählt auch Diabetes) empfiehlt die STIKO neben der Grundimmunisierung (bestehend aus 2 Impfungen) jährliche Auffrischungsimpfungen. Diese sollten möglichst in einem Mindestabstand von 12 Monaten zum letzten Kontakt mit dem Coronavirus (durch Impfung oder Infektion) und vorzugsweise im Herbst erfolgen.10

Gut zu wissen: Die Kosten für die empfohlenen Impfungen übernehmen die Krankenkassen. Daneben sollten Menschen mit Diabetes weitere regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen – egal ob Typ-1 oder Typ-2.

Neue Therapiemöglichkeit: Gibt es bald eine Impfung gegen Diabetes?

Impfen trainiert das Immunsystem – so verhindert es, dass sich schädliche Krankheitserreger im Körper breit machen und eine Erkrankung auslösen. Daher ist es naheliegend zu fragen, ob es möglich ist, gegen Diabetes zu impfen. Doch leider gibt es noch keinen Piks, der zuverlässig vor der Diagnose schützen kann.

Forschende untersuchen seit Jahren neue Therapieansätze bei Typ-1-Diabetes, der besonders häufig im Kindes- und Jugendalter auftritt. Anfang November 2023 haben sie die europaweite Forschungsplattform mit dem Namen EDENT1FI ins Leben gerufen, um ihre gemeinsamen Anstrengungen zu intensivieren, damit Typ-1-Diabetes künftig gestoppt werden kann, bevor er entsteht.11 Im Fokus stehen dabei Screenings und Immuntherapien. Denn die Ursache für diese Diabetes-Form liegt in einer überschießenden Reaktion des Immunsystems. Für die Impfung gegen Diabetes gibt es derzeit 3 wesentliche Ansätze:

  1. Vermehrung körpereigener regulatorischer T-Zellen: Menschen mit einem Frühstadium von Typ-1-Diabetes produzieren weniger dieser Zellen. Sie sind jedoch verantwortlich dafür, Angriffe des Immunsystems auf die eigenen Körperzellen zu verhindern. Die im Labor vermehrten T-Zellen bekommen Betroffene per Infusion verabreicht. Seit November 2022 ist ein entsprechendes Antikörper-Medikament in den USA zugelassen, das bei Kindern mit einem bekannten genetischen Risiko für Typ-1-Diabetes den Ausbruch der Erkrankung um einige Jahre verzögern kann.12 Mit einer Zulassung in Deutschland wird für Ende 2023 bis Anfang 2024 gerechnet.
  2. Toleranz des Körpers gegenüber Insulin: Bei Typ-1-Diabetes reagiert der Organismus empfindlich auf die Insulin-produzierenden Zellen sowie Insulin selbst. Durch die Gabe von kleinen Mengen einer Insulinvorstufe (Hyposensibilisierung) soll sich der Körper wieder an das Insulin gewöhnen. Aktuell laufen vielversprechende Studien mit einer Schluckimpfung, um die optimale Dosis des auf diese Weise verabreichten Insulins herauszufinden. Wann die Impfung für die breite Anwendung zugelassen werden könnte, ist zurzeit noch nicht absehbar.
  3. Aufputschen des Immunsystems mit Probiotika: In frühen Stadien von Typ-1-Diabetes treten bestimmte Antikörper im Blut auf. Sie sind ein Anzeichen dafür, dass das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen angreift. Aus früheren Studien weiß man, dass die Darmflora bei Kindern mit diesen Antikörper gestört sein kann. Daher versucht man, sie durch die Gabe bestimmter Probiotika bei der gesunden und ausgewogenen Entwicklung ihrer Darmflora zu unterstützen. Dadurch könnte das Immunsystem, noch bevor erste Anzeichen von Autoimmunität auftreten, positiv beeinflusst werden.13 Auch bei dieser Methode ist ein Zeitpunkt für die Zulassung noch nicht in Sicht.

Im Fall von Typ-2-Diabetes liegt die Ursache der Erkrankung nicht in einer fehlerhaften Immunreaktion, deshalb stellt eine Impfung bei diesem Typ keine Therapiemöglichkeit dar.

Kann Impfen Typ-1-Diabetes verursachen?

Immer wieder stehen Impfungen in der Kritik und im Verdacht, bei Kindern einen Typ-1-Diabetes auszulösen. Impfkritische Menschen bringen häufig die steigende Zahl von Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen mit der seit Jahrzehnten steigenden Impfrate in Verbindung.14 Bei genauerer statistischer Betrachtung gibt es jedoch keine stichhaltigen wissenschaftlichen Hinweise dafür, dass Impfungen im Kindesalter das Auftreten eines Typ-1-Diabetes begünstigen. Das legt eine Reihe epidemiologischer Studien nahe.

Umgekehrt weiß man allerdings seit langem, dass Virusinfektionen im Säuglings- und Kleinkindalter den Grundstein für die Autoimmunreaktion legen können, die letztlich zu einem Typ-1-Diabetes führt.15 Ebenso wurde inzwischen nachgewiesen, dass SARS-CoV-2 auch die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse angreifen und zerstören kann, was wiederum zu einem Typ-1-Diabetes führt.16 Es sind also nicht Impfungen, die das Risiko für Typ-1-Diabetes erhöhen, sondern Virusinfektionen. Und vor denen kann man sich durch Impfungen schützen.

FAQs: Häufige Fragen zu Impfungen bei Diabetes

Menschen mit Diabetes haben ein höheres Risiko für Infektionskrankheiten und sollten sich deshalb bestmöglich schützen.1 Impfungen können das Auftreten von schweren Infekten verhindern oder den Verlauf einer Erkrankung mildern.

Für Menschen mit Diabetes werden die Impfungen gegen Influenza (Grippe), Corona, Tetanus/Diphterie/Keuchhusten, Polio, Masern, Pneumokokken und Gürtelrose empfohlen.

Corona birgt insbesondere für Personen, die einen stark schwankenden Blutzuckerspiegel oder weitere Begleiterkrankungen haben, ein höheres Risiko.17 Deshalb ist die Impfung gegen Corona bei diesen Menschen mit Diabetes (Typ-1 oder -2) besonders wichtig.

Quellen

1 Bretzel, R. G. Impfungen bei Diabetes mellitus. Abgerufen am 03. November 2023, von https://www.diabetologie-online.de/a/impfung-immunsystem-impfungen-bei-…

2 Mehnert, H. Mehnert-Kolumne : Erhöhte Infektionsgefahr bei Diabetikern. AerzteZeitung.de. Abgerufen am 03. November 2023, von https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Erhoehte-Infektionsgefahr-bei-Diab…

3 Fang, M., Ishigami, J., Echouffo-Tcheugui, J. B., Lutsey, P. L., Pankow, J. S. & Selvin, E. (2021). Diabetes and the risk of hospitalisation for infection: the Atherosclerosis Risk in Communities (ARIC) study. Diabetologia, 64(11), 2458–2465. Abgerufen am 03. November 2023 von https://doi.org/10.1007/s00125-021-05522-3.

4 Moeser A, Pletz MW: Wichtige Impfempfehlungen für Diabetiker. Info Diabetologie 2023; 17 (1), abgerufen am 03. November 2023 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9943583/pdf/15034_2023_Art…

5 DiabetesDe: Empfehlung zur Grippe- und Coronaimpfung für Menschen mit Diabetes mellitus, abgerufen am 03.11.2023 von https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/empfehlung-grippe-coronaimp…

6 Impfkalender der STIKO von 2023, am 03. November 2023 abgerufen unter https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/Aktuelles…

7 Moeser A, Pletz MW: Wichtige Impfempfehlungen für Diabetiker. Info Diabetologie 2023; 17 (1), abgerufen am 03. November 2023 von https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9943583/pdf/15034_2023_Art…

8 STIKO-Empfehlung zur Pneumokokken-Impfung, Epidemiologisches Bulletin 39/2023, abgerufen am 03. November 2023 von https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2023/Ausgaben/39_2…

9 RKI Epidemiologisches Bulletin 4/2023, Empfehlungen zu Standardimpfungen, abgerufen am 03. November 2023 unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2023/Ausgaben/04_2…

10 RKI: COVID-19 Impfempfehlungen (Stand 18.9.2023), abgerufen am 03. November 2023 von https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html#:~:text=Die%…

11 Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, Pressemitteilung vom 3.11.2023, abgerufen am 03. November 2023 unter https://www.dzd-ev.de/aktuelles/news/news/article/europa-vereint-gegen-…

12 DiabetesNews, 2023; 22 (1) Seite 10, abgerufen am 03. November 2023 unter https://www.diabetologie-online.de/a/typ-diabetes-ersehnter-meilenstein…

13 Deutsches Zentrum für Diabetesforschung, Pressemitteilung vom 16.2.2021, abgerufen am 03. November 2023 unter https://www.dzd-ev.de/aktuelles/news/news/article/entstehung-von-typ-1-…

14 RKI - Impfthemen A - Z - Gibt es Erkenntnisse darüber, dass die Diabeteserkrankung durch Impfungen verursacht werden kann? Abgerufen am 3. November 2023, von https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_Nebenwirkungen/FAQ02.ht…

15 diabinfo vom 27.1.2020: Wie Virus-Infektionen das Risiko für Typ-1-Diabetes beeinflussen, abgerufen am 03. November 2023 unter https://www.diabinfo.de/leben/info-ecke/nachrichten/nachrichten/article…

16 So löst das Coronavirus Diabetes aus, scinexx.de vom 4.6.2021, abgerufen am 03. November 2023 unter https://www.scinexx.de/news/medizin/so-loest-das-coronavirus-diabetes-a…

17 Diabetes-Gesellschaft E.V., D. Stellungnahme Covid-19 und Impfungen bei Diabetes. Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. Abgerufen am 2. November 2022, von https://www.ddg.info/politik/stellungnahmen/stellungnahme-covid-19-und-…