Kann (psychischer) Stress Diabetes auslösen?
Zwischen (psychischem) Stress und Diabetes besteht ein Zusammenhang. Stress allein verursacht zwar nach bisherigen Studienergebnissen noch keinen Diabetes. Doch – vor allem in Kombination mit einer hohen Arbeitsbelastung – ist er ein Risikofaktor für die Erkrankung.1 Denn Stress
- lässt den Blutzuckerspiegel ansteigen,
- erhöht das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln oder
- kann die Erkrankung verstärken.1
Sie fragen sich, was als „hohe Arbeitsbelastung“ gilt? Um sie zu messen, gibt es den sogenannten Karasek-Index. Der Fragebogen wird weltweit am häufigsten eingesetzt, um Belastungen im Beruf zu ermitteln.1 Die größte Stressbelastung für Menschen entsteht dann, wenn ihr Job hohe Anforderungen mit sich bringt, gleichzeitig aber wenig Kontrolle über die Tätigkeit.1
Gibt es positiven Stress?
Stress hat durchaus auch etwas Gutes: Er ermöglicht ein rasches Handeln, motiviert und versetzt Menschen in die Lage, unmöglich erscheinende Dinge zu tun. In Situationen, in denen er einen positiven Effekt hat, wird er als „Eustress“ bezeichnet.
Problematisch wird es nur, wenn der Druck überhand nimmt und es Betroffenen schwerfällt, diesen wieder abzubauen. Stress kann auf Dauer krank machen und körperliche wie auch psychische Auswirkungen haben.
Studien zeigen: Beruflich bedingter Stress erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes
Das Ergebnis einer internationalen Studie mit circa 125.000 Erwachsenen zeigt: Wer einem stressigen Job nachgeht und zudem nur wenig entscheiden darf, hat ein größeres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken – ganz gleich, welchen Lebensstil er pflegt.2
Während der 10 Jahre Beobachtungsdauer sind 3.703 Personen an Diabetes erkrankt.2 Wer von psychisch belastenden Arbeitssituationen betroffen war, hatte ein um rund 15 Prozent erhöhtes Risiko, Diabetes zu bekommen.2 Faktoren wie Alter, Geschlecht und sozio-ökonomische Aspekte wie Bildung oder Einkommen wurden von den Forschenden aus den Ergebnissen herausgerechnet. Sie kommen zu dem Schluss, dass eine psychisch belastende Arbeitssituation einen Risikofaktor für Typ-2-Diabetes darstellt – unabhängig von Lebensstilfaktoren.
Neben hohen Anforderungen gibt es noch weitere Ursachen für ein höheres Erkrankungsrisiko. Das zeigt eine weitere Studie mit mehr als 5.000 Männern und Frauen zwischen 35 und 56 Jahren.3 Demnach scheint auch der Faktor „Kontrolle über die beruflichen Abläufe“ bedeutsam zu sein.
Zu Beginn der Studie hatten alle Untersuchten gesunde Blutzuckerwerte. Bei der Folgeuntersuchung nach 8 bis 10 Jahren hatte sich bei 60 Frauen und 111 Männern ein Typ-2-Diabetes entwickelt.3 Über einen strukturierten Fragebogen wurden Anforderungen im Beruf, Entscheidungsspielraum, Arbeitsbelastung, Schichtarbeit und Überstunden erfasst. Erfragt wurde auch das Zugehörigkeitsgefühl (Kohärenzgefühl), das durch Beziehungen und zwischenmenschliche Kommunikation entsteht.3
Professor Karin Lange, Fachpsychologin Diabetes DDG, liefert eine mögliche Erklärung für die Studienergebnisse: Ob eine hohe Arbeitsbelastung mit einem höheren Diabetes-Risiko einhergeht, hängt ihrer Einschätzung nach vor allem damit zusammen, inwieweit eine Person die eigene Tätigkeit selbst sinnvoll gestalten kann. Wenn enorme Anforderungen mit geringen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen verbunden seien, gehe dies in der Regel mit hohem Stress und einem Gefühl der Hilflosigkeit einher.
Welche Rolle spielt das Geschlecht, wenn Diabetes durch Stress entsteht?
Bei der Frage, inwieweit das Geschlecht die Entstehung der Zuckerkrankheit durch Stress beeinflusst, sind sich Forschende uneinig. Durchgeführte Studien ergaben verschiedene Ergebnisse. Manche zeigten je nach Geschlecht Unterschiede: Bei Frauen schienen beruflicher Stress und Schichtarbeit zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes beizutragen – zusätzlich zu bereits bekannten Risikofaktoren wie
- Alter,
- Bildungsabschluss,
- Body-Mass-Index (BMI),
- Rauchen,
- familiärer Diabetes-Belastung und
- psychischem Stress.3
Bei Männern dagegen reduzierte sich die Diabetes-Wahrscheinlichkeit durch hohe körperliche Belastungen und eine aktive Tätigkeit.3
Die Ergebnisse der Studien KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) und MONICA (Monitoring trends and determinants in cardiovascular disease) machten hingegen deutlich, dass das Geschlecht im Grunde genommen keine Rolle spielt: Stress durch eine hohe Arbeitsbelastung ist sowohl für Männer als auch Frauen gleichermaßen ein Risikofaktor für Diabetes.1