Welche Rolle spielt Stress im Zusammenhang mit Diabetes?

Zeitdruck, Anspannung und Überforderung sind typische Begleiterscheinungen im Arbeitsleben. Besonders anhaltender Stress kann den Blutzucker dauerhaft erhöhen und gilt als eine mögliche Ursache für Typ-2-Diabetes.1 Was genau das bedeutet und warum vor allem Menschen mit der Erkrankung Stresssituationen meiden sollten, erfahren Sie hier!

Mann leidet unter beruflichem Stress, der auch Diabetes auslösen kann.

Kann (psychischer) Stress Diabetes auslösen?

Zwischen (psychischem) Stress und Diabetes besteht ein Zusammenhang. Stress allein verursacht zwar nach bisherigen Studienergebnissen noch keinen Diabetes. Doch – vor allem in Kombination mit einer hohen Arbeitsbelastung – ist er ein Risikofaktor für die Erkrankung.1 Denn Stress

  • lässt den Blutzuckerspiegel ansteigen,
  • erhöht das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln oder
  • kann die Erkrankung verstärken.1

Sie fragen sich, was als „hohe Arbeitsbelastung“ gilt? Um sie zu messen, gibt es den sogenannten Karasek-Index. Der Fragebogen wird weltweit am häufigsten eingesetzt, um Belastungen im Beruf zu ermitteln.1 Die größte Stressbelastung für Menschen entsteht dann, wenn ihr Job hohe Anforderungen mit sich bringt, gleichzeitig aber wenig Kontrolle über die Tätigkeit.1

Gibt es positiven Stress?

Stress hat durchaus auch etwas Gutes: Er ermöglicht ein rasches Handeln, motiviert und versetzt Menschen in die Lage, unmöglich erscheinende Dinge zu tun. In Situationen, in denen er einen positiven Effekt hat, wird er als „Eustress“ bezeichnet.

Problematisch wird es nur, wenn der Druck überhand nimmt und es Betroffenen schwerfällt, diesen wieder abzubauen. Stress kann auf Dauer krank machen und körperliche wie auch psychische Auswirkungen haben.

Studien zeigen: Beruflich bedingter Stress erhöht das Risiko für Typ-2-Diabetes

Das Ergebnis einer internationalen Studie mit circa 125.000 Erwachsenen zeigt: Wer einem stressigen Job nachgeht und zudem nur wenig entscheiden darf, hat ein größeres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken – ganz gleich, welchen Lebensstil er pflegt.2

Während der 10 Jahre Beobachtungsdauer sind 3.703 Personen an Diabetes erkrankt.2 Wer von psychisch belastenden Arbeitssituationen betroffen war, hatte ein um rund 15 Prozent erhöhtes Risiko, Diabetes zu bekommen.2 Faktoren wie Alter, Geschlecht und sozio-ökonomische Aspekte wie Bildung oder Einkommen wurden von den Forschenden aus den Ergebnissen herausgerechnet. Sie kommen zu dem Schluss, dass eine psychisch belastende Arbeitssituation einen Risikofaktor für Typ-2-Diabetes darstellt – unabhängig von Lebensstilfaktoren.

Neben hohen Anforderungen gibt es noch weitere Ursachen für ein höheres Erkrankungsrisiko. Das zeigt eine weitere Studie mit mehr als 5.000 Männern und Frauen zwischen 35 und 56 Jahren.3 Demnach scheint auch der Faktor „Kontrolle über die beruflichen Abläufe“ bedeutsam zu sein.

Zu Beginn der Studie hatten alle Untersuchten gesunde Blutzuckerwerte. Bei der Folgeuntersuchung nach 8 bis 10 Jahren hatte sich bei 60 Frauen und 111 Männern ein Typ-2-Diabetes entwickelt.3 Über einen strukturierten Fragebogen wurden Anforderungen im Beruf, Entscheidungsspielraum, Arbeitsbelastung, Schichtarbeit und Überstunden erfasst. Erfragt wurde auch das Zugehörigkeitsgefühl (Kohärenzgefühl), das durch Beziehungen und zwischenmenschliche Kommunikation entsteht.3

Professor Karin Lange, Fachpsychologin Diabetes DDG, liefert eine mögliche Erklärung für die Studienergebnisse: Ob eine hohe Arbeitsbelastung mit einem höheren Diabetes-Risiko einhergeht, hängt ihrer Einschätzung nach vor allem damit zusammen, inwieweit eine Person die eigene Tätigkeit selbst sinnvoll gestalten kann. Wenn enorme Anforderungen mit geringen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen verbunden seien, gehe dies in der Regel mit hohem Stress und einem Gefühl der Hilflosigkeit einher.

Welche Rolle spielt das Geschlecht, wenn Diabetes durch Stress entsteht?

Bei der Frage, inwieweit das Geschlecht die Entstehung der Zuckerkrankheit durch Stress beeinflusst, sind sich Forschende uneinig. Durchgeführte Studien ergaben verschiedene Ergebnisse. Manche zeigten je nach Geschlecht Unterschiede: Bei Frauen schienen beruflicher Stress und Schichtarbeit zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes beizutragen – zusätzlich zu bereits bekannten Risikofaktoren wie

  • Alter,
  • Bildungsabschluss,
  • Body-Mass-Index (BMI),
  • Rauchen,
  • familiärer Diabetes-Belastung und
  • psychischem Stress.3

Bei Männern dagegen reduzierte sich die Diabetes-Wahrscheinlichkeit durch hohe körperliche Belastungen und eine aktive Tätigkeit.3

Die Ergebnisse der Studien KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) und MONICA (Monitoring trends and determinants in cardiovascular disease) machten hingegen deutlich, dass das Geschlecht im Grunde genommen keine Rolle spielt: Stress durch eine hohe Arbeitsbelastung ist sowohl für Männer als auch Frauen gleichermaßen ein Risikofaktor für Diabetes.1

Warum kommt es durch Stress zu einem hohen Blutzucker?

Steht die Diagnose Diabetes mellitus fest, müssen sich viele Betroffene erst einmal Wissen über die Erkrankung aneignen. Vor allem jene, die einen hektischen Beruf ausüben und öfter mal unter Strom stehen, stellen sich die Frage, ob Stress den Blutzucker erhöhen kann.

Doch wie wirkt sich Stress überhaupt auf den Körper aus? Er versetzt den Körper in eine erhöhte Alarmbereitschaft. Das ist vor allem dann wichtig, wenn eine bedrohliche Situation eine schnelle Reaktion erfordert: Innerhalb kurzer Zeit schüttet der Körper Stresshormone – wie Adrenalin und Cortisol – aus. Das treibt den Herzschlag wie auch Bluthochdruck in die Höhe und bewirkt zudem, dass mehr Zucker von der Leber ins Blut abgegeben wird.4 So können Muskelzellen besser versorgt werden. Ist die Situation vorüber, normalisieren sich die Abläufe im menschlichen Organismus wieder.

Insulin und seine Gegenspieler

Durch Stress ausgeschüttetes Adrenalin gilt als Verursacher von  hohem Blutzucker. Das Stresshormon erhöht unter anderem den Puls, Sauerstoffverbrauch und Fettabbau. Adrenalin hemmt die Freisetzung von Insulin, senkt seine Wirkung und fördert die Freisetzung von Zucker ins Blut. So steigert das Hormon den Blutzuckerspiegel.4

Cortisol – ebenfalls ein Stresshormon – schwächt die Wirkung von Insulin in den Zellen ab. Diese können den Blutzucker nicht mehr optimal verwerten. Als Folge steigt der Blutzuckerwert an.5

Hält Stress jedoch dauerhaft an, produziert der Körper ständig neue Stresshormone. Der Stoffwechsel kann sich deshalb nie richtig entspannen. Fehlen zudem die wichtigen Ruhephasen, erschöpft das die Stoffwechselprozesse zusätzlich.

Der Zustand hat zur Folge, dass das Insulin schlechter wirkt – auch bekannt als Insulinresistenz. Das beeinträchtigt die Versorgung der Zellen mit Zucker, also Energie. So kommt es letztendlich zu erhöhten Blutzuckerwerten.6 Bei Menschen, die bereits mit Typ-2-Diabetes leben, beeinflusst der durch (psychischen) Stress gestiegene Blutzucker die Erkrankung negativ.6

Kann Burn-out Diabetes verursachen?

Mit der Frage, ob ein Burn-out die Ursache für Diabetes sein kann, haben sich Forschende der Universität Tel Aviv beschäftigt. Anhand von Fragebögen ermittelten sie bei insgesamt 677 Frauen und Männern, ob bei den Teilnehmenden ein Burn-out-Syndrom vorlag.6

Darunter verstehen Expert:innen eine völlige psychische und körperliche Erschöpfung. Übermäßige Belastung am Arbeitsplatz oder im Privatleben sind mögliche Auslöser für den Zustand. Die Studie lief über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren. Wissenschaftler:innen prüften in der Phase, ob die Proband:innen einen Typ-2-Diabetes entwickelten.

Das Ergebnis: Teilnehmende, welche unter einem Burn-out litten, hatten ein in etwa 1,8-fach erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes.6 Bei der Berechnung haben Forscher:innen andere mögliche Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen oder Alkohol bereits berücksichtigt.

Wie lässt sich (beruflicher) Stress als Diabetes-Risikofaktor reduzieren?

Vieles deutet darauf hin, dass (psychischer) Stress den Blutzucker erhöht und dadurch Diabetes auslösen kann.6 Gesichert ist die Tatsache, dass Stress bei bestehendem Diabetes die Erkrankung negativ beeinflusst.6 Aus dem Grund sollten vor allem Betroffene darauf achten, sich möglichst wenig Stress auszusetzen, um die Zuckerkrankheit nicht zu verstärken.

Sollten Sie den Verdacht haben, dass Stress und Diabetes bei Ihnen zusammenhängen, gilt es den Ursachen auf den Grund zu gehen. Lernen Sie, Ihre körperlichen Bedürfnisse zu erkennen und Gedanken loszulassen, welche den Stress begünstigen. Rufen Sie sich immer wieder ins Gedächtnis, dass Stress eine subjektive Wahrnehmung ist. Sie allein entscheiden über Ihre innere Einstellung und wie Sie mit den nervenaufreibenden Situationen umgehen. Dabei können Ihnen folgende Tipps und Techniken helfen, um sich wieder mehr zu entspannen:

  • Sportliche Betätigung wie Yoga, Pilates oder Tai-Chi
  • Bewegung an der frischen Luft
  • Autogenes Training
  • Muskelentspannungstraining nach Jacobson
  • Achtsamkeitsübungen (wie bewusstes Kauen oder seine Sinne auf die Umgebung zu konzentrieren)
  • Tiefes Durchatmen (am besten in den Bauch)

Probieren Sie einfach aus, was Ihnen am meisten liegt und Ihnen die benötigte Ruhe und Gelassenheit verschafft. Einige der Tipps lassen sich zudem gut in den Alltag integrieren. Wenden Sie zudem speziell für Ihr Berufsleben folgende Tricks an:

  • Eigenen Rhythmus kennen: Fragen Sie sich, wann Sie Ihre besten Leistungen am Tag erzielen. Erledigen Sie wichtige Aufgaben (so weit wie möglich) zu der Tageszeit, wo Sie am produktivsten sind.
  • Regelmäßige Pausen einlegen: Bauen Sie über den Tag verteilt regelmäßig Ruhephasen ein. Versuchen Sie abzuschalten und sorgen Sie mit speziellen Übungen für Entspannung.
  • Stresssituationen gezielt umgehen: Wenn Sie wissen, welche Dinge bei Ihnen für Anspannung sorgen, versuchen Sie diese zu vermeiden. Planen Sie beispielsweise genug Zeit für die Anreise zu geschäftlichen Terminen mit ein.
  • Bedenkzeit nehmen: Übernehmen Sie nicht sofort jede neue Aufgabe, sondern entscheiden Sie bewusst, ob, wann und wie Sie sie erledigen können. Auch mal ein „Nein“ zu einer spontanen Bitte von Kolleg:innen kann dabei helfen, den Fokus weiterhin auf die eigene Arbeit zu richten. Suchen Sie das Gespräch mit einer Vertrauensperson, wenn Ihnen Ihre Tätigkeiten über den Kopf wachsen und Sie sich überfordert fühlen.

Neben einer gesunden Ernährung und dem Vermeiden von Übergewicht sollten Sie vor allem im Beruf noch stärker darauf achten, dass er zu keinem weiteren Risikofaktor wird.

Sollten Sie sich allein gelassen fühlen, können Sie Entspannungsübungen oder Stressmanagement in Kursen mit Gleichgesinnten erlernen. Auch die Psychotherapie stellt eine Möglichkeit dar, um Belastungen abzubauen und sich wieder entspannter zu fühlen.

Quellen

1 „Stress am Arbeitsplatz ist ein eigenständiger Risikofaktor für Typ-2-Diabetes“ - Interview mit Professor Karl-Heinz Ladwig - DLR Gesundheitsforschung. Deutsche Zentrum Für Luft Und Raumfahrt e.V. - DLR Gesundheitsforschung. Retrieved October 10, 2022, from https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/stress-am-arbeitsplatz-ist-….

2 „Job strain“ als Risikofaktor für Typ-2-Diabetes“. Retrieved October 12, 2022, from https://www.diabetologie-online.de/a/job-strain-als-risikofaktor-fuer-t….

3 „Beruflicher Stress, Kohärenzsinn und das Risiko für Typ-2-Diabetes“. Retrieved October 12, 2022, from https://www.diabetologie-online.de/a/beruflicher-stress-kohaerenzsinn-u….

4 „Was verursachen Stresshormone im Körper?“. Die Techniker. Retrieved October 12, 2022, from https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/stress-bewaeltigen/geh….

5 „Kortison“. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Retrieved October 13, 2022, from https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/was_ist_diabetes_/diabetes_le….

6 „Kann Stress zu Diabetes führen?“. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Retrieved October 11, 2022, from https://www.diabetesde.org/gesund_leben_mit_diabetes/koerper_und_seele_….