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Zuckerwerte auf Talfahrt: Was Hypoglykämien für Körper und Seele bedeuten

Zuckerwerte auf Talfahrt: Was Hypoglykämien für Körper und Seele bedeuten

Kohlenhydrate falsch eingeschätzt, zu viel Insulin gespritzt, andere Medikamente falsch dosiert, beim Sport verausgabt, am Abend ein Gläschen zu viel getrunken – es gibt viele Faktoren im Alltag von Menschen mit Diabetes, die zu einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) führen können. Wer am normalen Leben teilnimmt, wird es auch nie ganz vermeiden können, dass der Zuckerwert mal auf eine kurze Talfahrt geht. Entscheidend ist, dass Hypoglykämien möglichst selten auftreten und behandelt werden, bevor aus einer leichten eine schwere Unterzuckerung wird.

Leichte, mittelschwere und schwere Hypoglykämien

Manche Fachleute sprechen von einer Hypoglykämie, wenn der Blutzucker den kritischen Schwellenwert von 70 mg/dL (3,9 mmol/l) unterschreitet. Doch da die Symptome einer Hypoglykämie nicht bei allen Menschen zum selben Zeitpunkt auftreten und manche Menschen mit Diabetes sogar gar keine der typischen Anzeichen einer Unterzuckerung (wie zum Beispiel Schwitzen, Zittern, Heißhunger, Herzklopfen, Reizbarkeit, Sehstörungen, Schläfrigkeit, Schwindel, Koordinations- und Wortfindungsstörungen) mehr aufweisen, hat sich unter Diabetesexperten mittlerweile die Einteilung in leichte, mittelschwere und schwere Hypoglykämien durchgesetzt. Bei einer leichten Unterzuckerung können sich Menschen mit Diabetes selbst helfen, bei einer mittelschweren sind sie zwar auf fremde Hilfe angewiesen, können aber noch Glukose oder zuckerhaltige Getränke zu sich nehmen. Unter einer schweren Hypoglykämie versteht man eine Unterzuckerung, bei der der Patient bewusstlos ist oder unter einem eingetrübten Bewusstsein leidet. In diesen Fällen sollten Außenstehende auf keinen Fall versuchen, dem Betroffenen Glukose einzuflößen, sondern einen Notarzt verständigen und/oder die Notfallspritze mit Glukagon verabreichen.

Häufige Hypoglykämien schaden dem Gehirn

Welche körperlichen und seelischen Auswirkungen Hypoglykämien auf Menschen mit Diabetes und ihr persönliches Umfeld haben, wurde jüngst in einem Symposium bei der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) diskutiert. "Wer häufig Hypoglykämien hat, bei dem verschwinden nach und nach die typischen Warnsignale, das Gehirn nimmt sie dann einfach nicht mehr wahr", erklärte der Ulmer Endokrinologe Professor Werner Kern. Hierzu könne es beispielsweise dann kommen, wenn Menschen mit Diabetes und ihre Behandlungsteams allzu niedrige Zielbereiche für ihre Blutzuckerwerte anstreben und deshalb häufig unterzuckern. Trotzdem nimmt das Gehirn Unterzuckerungen übel. Kommt es beispielsweise nachts unbemerkt zu einer Hypoglykämie, macht sich dies Professor Kern zufolge einerseits in der Schlafqualität bemerkbar – andererseits leidet häufig auch die Gedächtnisleistung: "Denn im Schlaf wird das zuvor Gelernte im Gehirn verankert und kann nur dann auch wieder zuverlässig abgerufen werden." Zusätzlich fühlen sich viele Menschen mit Diabetes nach einer nächtlichen Hypoglykämie auch emotional stark beeinträchtigt. "Langfristig kommt auch noch das erhöhte Risiko für Demenzerkrankungen durch häufige schwere Hypoglykämien hinzu", betonte Professor Kern.

Eine Hypo ist peinlich – und macht den Angehörigen große Angst

Bei einer akuten Unterzuckerung geht es den Betroffenen auch psychisch nicht gut. Vielen ist es peinlich, infolge einer Hypoglykämie die Kontrolle zu verlieren und nicht mehr Herr ihrer Sinne zu sein. Sie wollen sich anderen gegenüber keine Blöße geben und verweigern Hilfe von außen – obwohl Partner oder Familienangehörige mit Engelszungen auf sie einreden und zuckerhaltige Getränke reichen. Manche neigen auch zu unberechenbarem oder gar aggressivem Verhalten, wenn das Gehirn bei einer Unterzuckerung nicht ausreichend mit Glukose versorgt wird, wie die Hamburger Fachpsychologin Susann Clever berichtete. Sie hat sich auf die psychologische Betreuung von Menschen mit Diabetes spezialisiert. Wenn der Zuckerwert wieder im Lot ist, können sich viele Betroffene auch gar nicht mehr an ihr Verhalten während der akuten Unterzuckerung erinnern.

Häufige Hypoglykämien sind eine Bewährungsprobe für die Partnerschaft

Für eine Partnerschaft können häufige Hypoglykämien – neben den rein medizinischen Risiken – deshalb ebenfalls zu einer Bewährungsprobe werden. "Wenn ein Partner immer Rücksicht auf den anderen nehmen und sich immer sorgen muss, erzeugt das oft einen latent schwelenden Groll. Das ist eine ungute Beziehungsdynamik", weiß Susann Clever. Auch Gespräche über die Gefühle, die eine Unterzuckerung bei den Angehörigen auslösen, sind nicht immer einfach: "Da erlebt der Partner eines Menschen mit Diabetes etwas Schreckliches und möchte gern darüber reden. Doch der andere Partner, der die Unterzuckerung hatte, kann sich kaum daran erinnern und möchte auch lieber gar nicht über diese unangenehme Situation sprechen."

Praktische Tipps zur Vermeidung von Hypoglykämien

  • Medikamentendosis anpassen. Regelmäßig gemeinsam mit dem Diabetesteam die Dosierung von Insulin oder anderen blutzuckersenkenden Medikamenten besprechen und ggf. anpassen, damit möglichst keine Unterzuckerungen durch Überdosierung entstehen.

  • Hypohelfer dabeihaben. Immer Traubenzucker, zuckerhaltige Getränke oder andere "Hypohelfer" mit schnellwirksamen Kohlenhydraten mit sich führen. Ob im Rucksack, in der Handtasche, in der Hosentasche – irgendwo ist immer Platz für ein paar Plättchen Traubenzucker.

  • Erst essen, dann messen. Bei akuten Anzeichen einer Unterzuckerung (wiezum Beispiel. Schwitzen, Zittern, Heißhunger, Herzklopfen, Reizbarkeit, Sehstörungen, Schläfrigkeit, Schwindel, Koordinations- und Wortfindungsstörungen) gilt der Grundsatz: Erst essen, dann messen!

  • Höhere Glukosewerte beim Sport. Vor sportlichem Training oder anderen körperlich anstrengenden Aktivitäten daran denken, rechtzeitig die Insulindosis zu reduzieren, etwas höhere Glukosewerte anzustreben und den Blutzucker engmaschig zu kontrollieren.

  • Erleichterung durch CGM-Systeme. Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (rtCGM) warnen den Nutzer, wenn der Glukosewert unter einen zuvor festgelegten Grenzwert fällt. Sie können insbesondere für Menschen mit Diabetes, die ihre Hypoglykämien nicht mehr selbst zuverlässig wahrnehmen, den Alltag enorm erleichtern.

  • Schulung besuchen. Wer häufig unterzuckert und Hilfe bei der Verbesserung seines Diabetesmanagements benötigt, sollte sich in seiner Diabetespraxis nach speziellen Schulungsprogrammen zum Umgang mit Hypoglykämien erkundigen.

Praktische Tipps für Angehörige zum Umgang mit Hypoglykämien

  • Gehirn im Notbetrieb. Ein unterzuckertes Gehirn kann nicht die normale Denkleistung erbringen. Je lauter, schneller oder hektischer Angehörige aus Angst im Falle einer Hypoglykämie mit dem Betroffenen sprechen, umso mehr gerät das unterzuckerte Gehirn unter Stress und ist überfordert. Also ruhig, langsam und nicht zu viel auf den Betroffenen einreden.

  • Vorwürfe vermeiden. Mit Vorhaltungen à la "Wie konnte das schon wieder passieren?" gelingt keine vertrauensvolle Kommunikation. Vorwürfe bei einer akuten Unterzuckerung verstärken nur die Blockadehaltung beim unterzuckerten Partner. Gespräche über die Gründe für Hypoglykämien und wie man sie künftig besser vermeidet, besser zu einem ganz anderen Zeitpunkt führen.

  • Verständnis zeigen. Auch wenn immer mehr technische Helfer das moderne Diabetesmanagement erleichtern, bleibt es doch eine anspruchsvolle Aufgabe, die täglich neue Herausforderungen mit sich bringt. Der Stoffwechsel reagiert nicht immer gleich auf Kohlenhydrate, Bewegung, Insulin, andere Medikamente, Aufregung oder auch Wetterumschwünge. Hypoglykämien sind kein Zeichen für Versagen.

  • Vorgehensweise vereinbaren. In einem ruhigen Moment und bei normalen Glukosewerten miteinander besprechen, welches Verhalten bei einer Hypoglykämie am besten zwischen den beiden Partnern funktioniert. Bei vielen Paaren hat es sich bewährt, dass der Partner dem anderen bei einer Unterzuckerung ohne große Worte einfach ein Glas Saft reicht.

  • Schulung besuchen. Wer unter Partnerschaftskonflikten infolge häufiger Hypoglykämien leidet oder sich unsicher ist, wie er bei einer akuten Unterzuckerung helfen kann (zum Beispiel Gebrauch der Notfallspritze mit Glukagon), kann an den Angehörigen-Stunden entsprechender Schulungsprogramme teilnehmen.

 

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