Automatisierte Insulindosierung: Das Hybrid-Closed-Loop-System

Die Herausforderung für Menschen mit Diabetes ist durch den oft schwankenden Blutzuckerspiegel hoch: Mal benötigen sie zusätzliche Energie und mal Insulin in unterschiedlicher Dosis. Hybrid-Closed-Loop-Systeme erleichtern das Diabetes-Management, indem sie die Insulinabgabe einer Insulinpumpe automatisiert an den individuellen Bedarf anpassen. Hier erfahren Sie mehr.

Leuchtendes Kettenkarussell steht für schwankende Blutzuckerwerte, die Menschen mit Diabetes durch Hybrid-Closed-Loop-Systeme in den Griff bekommen können.

Wie funktionieren Hybrid-Closed-Loop-Systeme bei Diabetes?

Die Zukunft ist jetzt!

Eine Pumpe mit Closed-Loop-System lässt sich allgemein in die Kategorie der automatisierten Insulindosierung einordnen, die auch unter der Abkürzung AID (Automated Insulin Delivery) zu finden ist. Ein Alltag, ohne ständig selbst den Blutzucker messen und Insulin spritzen zu müssen, ist für Sie noch Zukunftsmusik? Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Loop-Systemen bei Diabetes, mit denen eine solche automatisierte Insulinabgabe umsetzbar ist – und die Forschung schreitet weiter voran. Willkommen in der Zukunft der Diabetes-Therapie!

Hinter einem Hybrid-Closed-Loop-System steckt eine Verbindung von einer Insulinpumpe  mit einem kompatiblen Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) und einem Algorithmus. Dieser analysiert regelmäßig die Glukosewerte, berechnet auf Basis dessen die Insulindosierung sowie -abgabe und passt den Bedarf automatisiert an.

Ein Beispiel dafür ist das DBLG1-System, bestehend aus einer Accu-Chek Insight Insulinpumpe, DBLG1 (Handset mit Algorithmus) und dem Dexcom G6 Real-Time-CGM-System (rtCGM):

So arbeiten die Komponenten eines Hybrid-Closed-Loop-Systems im Detail zusammen:

  • Insulinpumpe: Sie muss für den Gebrauch innerhalb eines Loop-Systems kompatibel sein.
  • Sensor zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM): Er misst den Spiegel des Gewebezuckers in Echtzeit und liefert so wichtige Informationen für den Algorithmus.
  • Algorithmus: Er stellt anhand der Glukosewerte fest, ob Anwender:innen mehr oder weniger Insulin benötigen, um den Zielwert zu erreichen und sendet die entsprechenden Befehle im Rahmen des Closed Loop an die Pumpe.

Bei den hybriden Loop-Systemen spielen auch noch weitere Informationen der Diabetes-Betroffenen eine entscheidende Rolle: Von ihnen benötigt der Algorithmus Informationen zum Zeitpunkt der Mahlzeit und Menge der Kohlenhydrate, um den Mahlzeitenbolus an Insulin individuell und stets passend berechnen zu können.

Doch welche Aufgaben erfüllen die einzelnen Komponenten der Loop-Systeme für Menschen mit Diabetes genau und wo liegen die Unterschiede?

Closed-Loop bezeichnet im Zusammenhang mit der Diabetes-Technologie ein System, das den Regelkreis zwischen Glukose- und Insulinspiegel schließt. Das funktioniert, indem es die passende Menge an Insulin  freisetzt, um den Glukoseverlauf im Zielbereich zu halten.

Bei einem Hybrid-Closed-Loop-System steuert der Algorithmus auf Basis der kontinuierlichen CGM-Werte die Abgabe des basalen Insulinbedarfs. Er berechnet den Insulinbedarf immer wieder neu und passt die Abgabe des basalen Insulins permanent und selbständig an. „Hybrid“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass hier die Mitarbeit der Diabetes-Betroffenen gefordert ist: Sie müssen dem Loop-System Ihre Mahlzeiten, oder genauer die Menge der Kohlenhydrate, ankündigen.



Welche Vorteile haben Hybrid-Closed-Loop-Systeme?

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Insulinpumpe mit Closed-Loop-Steuerung und der Therapie mit einer Pumpe und einem separatem CGM ist: Der Algorithmus kann durch automatisierte Überwachung von CGM und Insulinpumpe viele Entscheidungen übernehmen, die die Person mit Diabetes sonst selbst treffen würde.

Studien zeigen, dass die Nutzung von Hybrid-Closed-Loop-Systemen die Zeit im Zielbereich erhöhen und das Risiko für Hypoglykämien  sowie den HbA1c-Wert  senken können.1,2 Das entlastet Menschen mit Diabetes im Alltag spürbar und sie verbringen weniger Zeit im Bereich der Hypoglykämie im Vergleich zur sensorunterstützten Pumpentherapie.2,3

Mittlerweile sind sogar viele Expert:innen davon überzeugt, dass mehr Zeit im Zielbereich das Risiko für Folgeerkrankungen  von Diabetes verringern kann: Schon 10 Prozent mehr oder weniger Zeit im Zielbereich haben großen Einfluss darauf, ob sich beispielsweise eine diabetische Netzhauterkrankung (Retinopathie) oder Nierenerkrankung (Nephropathie) anbahnt.3 Auch für das eigene Wohlbefinden ist es förderlich, die Glukosewerte möglichst häufig im Zielbereich zu halten. AID-Systeme erleichtern dies.

Für wen eignet sich eine Insulinpumpe mit hybridem Closed-Loop?

Automatisierte Systeme zur Insulinabgabe, wie das Hybrid-Closed-Loop-System, ahmen die Arbeit der Bauchspeicheldrüse nach. Da die insulinproduzierenden Zellen des Organs bei Menschen mit Typ-1-Diabetes nicht mehr arbeiten, ist der Einsatz eines Closed-Loop hier ideal. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Einstellung auf den Blutzucker-Zielbereich schwierig gestaltet und Betroffene immer wieder zu Über- oder Unterzuckerungen neigen.4

Typ-1-Diabetes im Überblick

Folgende Parameter lassen sich durch den Einsatz einer automatisierten Insulinpumpe mit Closed-Loop-System verbessern:5

  • Blutzuckerschwankungen nehmen ab
  • Stabilere Glukosewerte auch in der Nacht
  • Mehr Zeit im Zielbereich

Zu bedenken ist dabei, dass Schwankungen des Stoffwechsels nicht nur körperlich bedingt sein müssen, sondern auch an Schwierigkeiten im Diabetes-Management liegen können. So vereinfachen automatisierte Systeme die notwendigen Messungen deutlich und übernehmen einen Großteil der Aufgaben.

Läuft alles automatisch? Wo sind die Grenzen des Loop-Systems bei Diabetes?

Sich keine Gedanken mehr über den Mahlzeitenbolus oder die Anpassung der Insulingabe beim Sport machen zu müssen, ist sicher der Wunsch vieler Menschen mit Diabetes. Doch das geht im Moment noch nicht – die Wissenschaft arbeitet weiter an einer vollständigen Closed-Loop-Regelung. Heutige Systeme werden deshalb als Hybrid-Closed-Loop-Systeme bezeichnet, da Nutzende mit diesen zusammenarbeiten und dem Algorithmus Werte zu ihren Mahlzeiten zur Verfügung stellen müssen. Auf dieser Basis schlägt das System im Anschluss die Höhe des Insulinbolus vor, den die Pumpe erst nach aktiver Bestätigung durch den/die Betroffene:n abgibt.

Beim Sport können Anwender:innen in der Regel den Zielwert etwas höher setzen, um Hypoglykämien zu vermeiden. Die endgültige Verantwortung für die korrekte Berechnung der benötigten Insulinmenge liegt also, trotz der großen Erleichterung, auch bei Hybrid-Closed-Loop-Systemen noch bei den Anwender:innen.

FAQs: Häufig gestellte Fragen zu Hybrid-Closed-Loop-Systemen

Die automatische Insulinpumpe, ein System zur kontinuierlichen Glukosemessung und der Algorithmus arbeiten zusammen. Anwender:innen geben für Mahlzeiten die Menge an Kohlenhydraten noch selbst ein.

Nein, ganz im Gegenteil. Das System kann nur gut arbeiten und Blutzuckerschwankungen vermeiden, wenn Sie als Anwender:in verantwortungsbewusst damit umgehen.

Wenn Sie häufig an Unterzuckerungen leiden oder Ihre Therapieziele noch nicht erreicht haben, kann ein Hybrid-Closed-Loop-System eine sehr gute Hilfe darstellen.

Das System ist für Menschen mit Typ-1-Diabetes geeignet. Wenn Sie Interesse daran haben, sprechen Sie Ihr Diabetes-Team sowie Ihre Krankenkasse darauf an. Mit ihnen klären Sie, welche Anforderungen für eine Verschreibung erfüllt sein müssen.

Quellen

1 Weisman, A., Bai, J. W., Cardinez, M., Kramer, C. K. & Perkins, B. A. (2017). Effect of artificial pancreas systems on glycaemic control in patients with type 1 diabetes: a systematic review and meta-analysis of outpatient randomised controlled trials. The Lancet Diabetes & Endocrinology, 5(7), 501–512. Abgerufen am 20. November, von https://doi.org/10.1016/s2213-8587(17)30167-5.

2 Boughton, C. K. & Hovorka, R. (2020). Automated Insulin Delivery in Adults. Endocrinology and Metabolism Clinics of North America, 49(1), 167–178. Abgerufen am 20. November, von https://doi.org/10.1016/j.ecl.2019.10.007.

3 Beck, R. W., Bergenstal, R. M., Riddlesworth, T. D., Kollman, C., Li, Z., Brown, A. S. & Close, K. L. (2018). Validation of Time in Range as an Outcome Measure for Diabetes Clinical Trials. Diabetes Care, 42(3), 400–405. Abgerufen am 20. November 2022, von https://doi.org/10.2337/dc18-1444.

4 Hüttemann, D. Typ-1-Diabetes: Vollautomatische Pumpe verbessert Blutzucker. Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH. Abgerufen am 20. November 2022, von https://www.pharmazeutische-zeitung.de/vollautomatische-pumpe-verbesser….

5 Brown, S. A., Kovatchev, B. P., Breton, M. D., Anderson, S. M., Keith-Hynes, P., Patek, S. D., Jiang, B., Ben Brahim, N., Vereshchetin, P., Bruttomesso, D., Avogaro, A., Del Favero, S., Boscari, F., Galasso, S., Visentin, R., Monaro, M. & Cobelli, C. (2015). Multinight “Bedside” Closed-Loop Control for Patients with Type 1 Diabetes. Diabetes Technology & Therapeutics, 17(3), 203–209. Abgerufen am 20. November 2022, von https://doi.org/10.1089/dia.2014.0259.