Wie hängen Diabetes und Schilddrüse zusammen?

Wenn der Blutzucker Achterbahn fährt, kann das an der Schilddrüse liegen. Das schmetterlingsförmige Organ, das im vorderen Halsbereich angesiedelt ist, schüttet nämlich Hormone aus, die sich auf die Wirkung des Insulins und damit auch auf die Höhe des Blutzuckers auswirken.1 Wie Diabetes mit der Schilddrüse, insbesondere einer Schilddrüsenunterfunktion und -überfunktion, in Zusammenhang steht, erfahren Sie hier.

Zusammenhang zwischen Diabetes und der Schilddrüse: Arzt tastet Hals einer Frau ab.

Zusammenhang zwischen Diabetes und der Schilddrüse

Sowohl Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes kommt oft mit hormonellen Fehlfunktionen der Schilddrüse vor, wie einer Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion.2 Diabetes und veränderte Schilddrüsenfunktionen beeinflussen sich gegenseitig: Zum einen hat Diabetes Auswirkungen auf endokrine (Hormon-bildende und -freisetzende) Drüsen und damit auf die Schilddrüse, zum anderen haben Schilddrüsenfunktionsstörungen bei Menschen mit Diabetes Folgen für den Stoffwechsel.2 Dieser Zusammenhang wird oftmals unterschätzt. Es kann dabei entweder erst eine Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion vorliegen und dann Diabetes oder andersherum.

Typ-1- und Typ-2-Diabetes:

Bei Diabetes lassen sich zwei verschiedene Formen unterscheiden: Typ-1-Diabetes beruht auf einem Mangel des Hormons Insulin, da die Bauchspeicheldrüse keines oder nur wenig produzieren kann.3 Er tritt vorwiegend bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf.3

Bei Typ-2-Diabetes entwickelt der Körper eine Insulinresistenz, was bedeutet, dass die Zellen weniger empfindlich für das Hormon sind.3 Er zeigt sich meist bei älteren Menschen, mittlerweile ist jedoch auch zunehmend die jüngere Generation betroffen.3

Ein Ungleichgewicht in der Hormonproduktion der Schilddrüse beeinflusst auch den Wert des Blutzuckers:1

  • Je weniger Hormone die Schilddrüse herstellt, desto höher ist das Risiko für Unterzuckerungen (Hypoglykämien).
  • Je mehr Hormone sie produziert, desto höher steigt die Gefahr von Überzuckerungen.

Warum brauchen wir Insulin?

Das Hormon Insulin entsteht in der Bauchspeicheldrüse und transportiert den über die Nahrung aufgenommenen Zucker mit dem Blut in die Körperzellen. Der Botenstoff füllt also die Energiespeicher des Körpers auf und schafft damit die Grundlage für verschiedene Körperaktivitäten wie Atmung, Herzleistung, Gehirnaktivität oder Bewegung.4



Wie funktioniert die Schilddrüse?

Die Schilddrüse nimmt als Hormondrüse im menschlichen Körper eine wichtige Steuerungsfunktion ein. Sie besteht aus 2 Hälften (Lappen), die rechts und links neben der Luftröhre liegen und durch eine schmale Brücke miteinander verbunden sind. Die 2 bekanntesten Hormone, welche die Schilddrüse produziert, sind das T4 (Thyroxin, auch Tetrajodthyronin) und das T3 (Trijodthyronin).7

Das Gehirn steuert mit der Hypophyse (Hirnanhangdrüse), wann und wie viele Botenstoffe die Schilddrüse herstellt.7 Sie bildet das Hormon TSH (Thyroid Stimulating Hormone), das die Hormonproduktion der Schilddrüse regelt.7 Bei einer zu geringen Menge an Schilddrüsenhormonen im Blut erhöht die Hypophyse die TSH-Produktion, um die Schilddrüse anzuregen, bei einer zu hohen Hormonausschüttung der Schilddrüse verringert die Hypophyse die TSH-Produktion, um die Schilddrüse zu bremsen.7

Die Schilddrüsenhormone wirken auf:5

  • Herzschlag und Blutdruck
  • Stoffwechsel (Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel) und das Körpergewicht
  • Schweiß- und Talgdrüsen der Haut
  • Darmtätigkeit und Verdauung
  • Muskelstoffwechsel und Muskelkraft
  • Gehirnaktivität und Psyche
  • Wachstum und Reifung von Ungeborenen im Mutterleib und Kindern

Sowohl T3 als auch T4 besitzen einen Jodanteil. Für ihre Herstellung benötigt die Schilddrüse daher Jod aus Lebensmitteln.8

Schilddrüsenunterfunktion und Diabetes

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) bildet die Schilddrüse zu wenig von den Hormonen T3 und T4. Das verlangsamt den Stoffwechsel und senkt die geistige Leistungsfähigkeit.9 Sie tritt bei Frauen öfter auf als bei Männern.10

Weltweit ist Jodmangel die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion.9 In Ländern mit ausreichender Jodversorgung entsteht sie in erster Linie durch eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die sogenannte Hashimoto-Thyreoiditis.9 Dabei ist die Schilddrüse dauerhaft entzündet, weil der eigene Körper Antikörper (Abwehrstoffe) gegen die Hormondrüse bildet.10

Häufig treten Typ-1-Diabetes und Hashimoto-Thyreoiditis gemeinsam auf.10 Während bei Ersterem der Körper insulinproduzierende Zellen zerstört, greifen bei Letzterer körpereigene Abwehrzellen das Schilddrüsengewebe an.11 Das führt wiederum zu einer Unterfunktion der Schilddrüse.11 Betroffene mit Typ-1-Diabetes erkranken im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes 5-mal häufiger an einer Hashimoto-Thyreoiditis und Frauen mit Typ-2-Diabetes haben besonders nach den Wechseljahren ein erhöhtes Risiko, diese Autoimmunerkrankung der Schilddrüse zu bekommen.11

Menschen mit Diabetes sollten zudem wissen, dass eine Schilddrüsenunterfunktion die Insulinempfindlichkeit der Zellen erhöht.11 Das bedeutet: Der Zucker lässt sich besser aus dem Blut in die Zellen transportieren. Dadurch sinkt jedoch der Blutzucker und es droht eine Unterzuckerung.11 Patient:innen, deren Behandlung mithilfe von Insulin oder blutzuckersenkenden Tabletten erfolgt, sollten daher eine mögliche Schilddrüsenstörung im Blick behalten, insbesondere bei unklaren Unterzuckerungen.11

Schon gewusst?

Die Schilddrüsenunterfunktion verläuft schleichend: Manchmal entsteht sie erst Monate oder sogar Jahre nach dem ersten Nachweis von Antikörpern im Blut.10 Erst wenn die Menge an T3 und T4 gering genug ist, lässt sich eine eindeutige Unterfunktion feststellen.10

Zur Behandlung müssen Betroffene in der Regel lebenslang das künstlich hergestellte Hormon L-Thyroxin einnehmen.10 Das Präparat verändert seinerseits die Wirkung von Arzneien: Es kann zum Beispiel den blutzuckersenkenden Effekt von bestimmten Medikamenten abschwächen.12 Vor allem zu Beginn einer Therapie mit L-Thyroxin sollten Menschen mit Diabetes daher regelmäßig den Blutzucker überprufen.

Schilddrüsenüberfunktion und Diabetes

Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) stellt die Schilddrüse zu viel von den Hormonen T3 und T4 her. Im Übermaß produziert, beschleunigen sie den Stoffwechsel – dieser läuft dann gewissermaßen auf Hochtouren.13 Die Erkrankung tritt bei Frauen öfter auf als bei Männern.13

Die häufigste Ursache für eine Schilddrüsenüberfunktion ist eine Autoimmunerkrankung des Organs, der sogenannte Morbus Basedow.13 Dabei bildet der Körper Abwehrstoffe gegen die Schilddrüse.14 Oft kommt Typ-1-Diabetes gemeinsam mit Morbus Basedow vor.2

Bei mehr als der Hälfte der Menschen mit einer unbehandelten Schilddrüsenüberfunktion zeigt sich eine verminderte Insulinempfindlichkeit (verstärkte Insulinresistenz).11 Viele davon haben Diabetes, welches mit einem erhöhten Risiko für Stoffwechselentgleisungen und folglich extrem hohen Blutzuckerwerten einhergeht.11

Zur Behandlung einer Überfunktion kommen folgende Möglichkeiten infrage:2

  • Medikamente, welche die Bildung von Schilddrüsenhormonen hemmen
  • Schilddrüsenoperation
  • Radiojodtherapie

Bei letzterem Verfahren zerstört eine winzige Menge an radioaktivem Jod überaktives Schilddrüsengewebe.15

Symptome einer Schilddrüsenunter- und -überfunktion

Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über typische Symptome einer Hypo- und Hyperthyreose:9,13,16,17

 

Symptome einer Unterfunktion Symptome einer Überfunktion
  • Gewichtsverlust
  • Verstopfung
  • Durchfall
  • Kälteempfindlichkeit
  • Wärmeempfindlichkeit
  • Kühle, trockene Haut
  • Vermehrtes Schwitzen
  • Stumpfe Haare, Haarausfall
  • Haarausfall
  • Übermäßig schnelle Erschöpfung
  • Erschöpfung und Kraftlosigkeit
  • Extreme Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Hoher Blutdruck
  • Antriebsmangel
  • Nervosität
  • Desinteresse
  • Innere Unruhe
  • Appetitlosigkeit
  • Zyklusstörungen bei der Frau
  • Erhöhte Infektanfälligkeit
 
  • Aufgedunsenes Gesicht, geschwollene Zunge und Augenpartien
 

Die möglichen Symptome einer Schilddrüsenunter- und -überfunktion müssen nicht zwingend immer alle auftreten und können auch eine unterschiedlich starke Ausprägung aufweisen.

Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen

Um eine Erkrankung der Schilddrüse feststellen zu können, bedarf es einer gründlichen Untersuchung des Organs. Der/die Ärzt:in verschafft sich zunächst in einem ausführlichen Gespräch einen Überblick über die auftretenden Symptome, Vorerkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen in der Familie und Essgewohnheiten. Ein Abtasten der Halsregion gehört ebenfalls dazu.18

Zu den gängigen Diagnoseverfahren gehören:18

  • Blutuntersuchungen: Die bedeutendsten Blutwerte sind dabei der T3-, T4- und TSH-Wert.
  • Sonografie: Der Schilddrüsen-Ultraschall ist das wichtigste bildgebende Diagnose-Verfahren, um Veränderungen an der Schilddrüse frühzeitig zu erkennen. Die Halsregion wird dabei von außen mit einem Schallkopf untersucht.
  • Szintigrafie: Dabei handelt es sich um eine nuklearmedizinische Untersuchung. Schwach radioaktiv markierte Substanzen helfen dabei, Vorgänge und Strukturen in der Schilddrüse sichtbar zu machen.

Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Diabetes und einer Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion sollten Menschen mit Diabetes regelmäßig – mindestens einmal im Jahr – ihre Schilddrüse untersuchen lassen.2

Quellen

1 Gut leben mit Diabetes - Experteninterview mit Prof. Zieren. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 15. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/schilddruese-und-stoffwec….

2 Schilddrüse und Diabetes: Interaktion wird unterschätzt. Deutsches Ärzteblatt. Abgerufen am 15. Februar 2023, von https://www.aerzteblatt.de/archiv/183181/Schilddruese-und-Diabetes-Inte….

3 Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2. BMG. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundhe….

4 Welche Aufgaben hat Insulin? Die Techniker. Abgerufen am 15. Februar 2023, von https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-med….

5 Funktion der Schilddrüse. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/funktion-de….

6 Anatomie der Schilddrüse. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 15. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/anatomie-de….

7 Hormone und Hormonproduktion der Schilddrüse. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 15. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/funktion-de….

8 Bedeutung des Jods für die Schilddrüse. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 17. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/funktion-de….

9 Was ist eine Schilddrüsenunterfunktion? Internisten im Netz. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schilddruesenunterfunkti….

10 Typ-1-Diabetes und Hashimoto-Thyreoiditis treten häufig gemeinsam auf. Deutsche Diabetes Gesellschaft. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.ddg.info/presse/typ-1-diabetes-und-hashimoto-thyreoiditis-t….

11 Diabetes und Erkrankungen der Schilddrüse. diabetologie-online. Abgerufen am 17. Februar 2023, von https://www.diabetologie-online.de/a/fortbildung-diabetes-und-schild-dr….

12 Vorsicht bei Levothyroxin und Metformin. APOTHEKE ADHOC. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pta-live/vorsicht-bei-….

13 Was ist eine Schilddrüsenüberfunktion? Internisten im Netz. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schilddruesenueberfunkti….

14 Morbus Basedow. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/schilddrues….

15 Radiojodtherapie. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/behandlung/….

16 Schilddrüsenunterfunktion. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/schilddrues….

17 Schilddrüsenüberfunktion. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/schilddrues….

18 Schilddrüsendiagnostik. Deutsches Schilddrüsenzentrum. Abgerufen am 16. Februar 2023, von https://www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/schilddrues….