Der Zusammenhang zwischen Diabetes und Depression

Körper und Psyche sind eng miteinander verwoben, das kristallisiert sich immer mehr heraus. So kann eine Stoffwechselerkrankung wie Diabetes zu Depressionen führen. Andersherum besteht ebenfalls ein Zusammenhang: Menschen mit Depressionen haben ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Welche Wechselwirkungen und Besonderheiten der Behandlung gibt es?

Frau mit Diabetes und Depression lehnt traurig an einer Wand.

Depressionen als Folge eines Diabetes

Schätzungsweise ein Viertel der Menschen mit Diabetes entwickeln eine Depression – damit sind sie 2- bis 3-mal so häufig von der psychischen Erkrankung betroffen wie die Allgemeinbevölkerung.1,2 Statistiken schätzen, dass 14 Prozent der Menschen mit Diabetes unter einer klinischen Depression leiden, 18 Prozent weisen depressive Verstimmungen auf.3 Depressionen gehören also zu den möglichen Folgeerkrankungen eines Diabetes, egal ob es sich um Typ 1 oder Typ 2 handelt.2

Als Ursachen kommen die folgenden Aspekte infrage:

  • Stressfaktor Diabetes: Das Leben mit Diabetes verlangt den Betroffenen einiges ab. Der Tagesablauf richtet sich danach aus, Einschränkungen in Ernährung und Alltagsleben kommen hinzu. Zudem erfordert es einiges an Energie, sich mit der Erkrankung immer wieder auseinanderzusetzen. Viele Menschen mit Diabetes sorgen sich zusätzlich um ihre Gesundheit: Sind die Blutzuckerwerte OK? Was darf ich essen, was nicht? Entwickeln sich weitere Folgeerkrankungen oder Komplikationen? All das zusammen genommen erhöht die psychische Belastung und letztlich die Gefahr, in eine Depression zu geraten.4
  • Hormone: Als Reaktion auf den empfundenen Stress schüttet der Körper spezielle Hormone wie Adrenalin, Cortisol oder Noradrenalin aus. Diese Botenstoffe finden sich häufig auch bei Menschen mit Depressionen in höherer Konzentration.5 Zudem haben Personen mit Diabetes oft erhöhte Mengen an entzündungsfördernden Stoffen, den sogenannten Zytokinen, im Blut. Sie tragen vermutlich dazu bei, dass sich eine Depression ausbildet.5

Dabei kann die Depression zu jedem Zeitpunkt auftreten. Zunächst ist die Diagnose Diabetes ein lebensverändernder Einschnitt und für Betroffene meist erst einmal ein Schock. Die vielen Informationen können Sie überschwemmen, genau wie die Sorgen, wie Sie dieses Leben jetzt gestalten sollten. Aber auch aus den jahrelangen Herausforderungen durch Diabetes entwickeln sich depressive Stimmungslagen – Stichwort Diabetes-Burnout.

Daneben spielen die allgemeinen Risikofaktoren für Depressionen ebenfalls eine Rolle: Wer an Einsamkeit leidet oder belastende Erlebnisse verarbeiten muss, verfällt wahrscheinlich ungleich schneller in eine Depression als Menschen mit stabilen sozialen Kontakten.

Diabetes und Depressionen: Ein gefährliches Duo

Psychische Erkrankungen wie Depressionen gehen oft mit einer schlechteren Therapietreue einher: Wer gedrückter Stimmung ist und sich antriebslos fühlt, kann sich nur eingeschränkt um die Behandlung kümmern.1 Medikamente werden vielleicht unzuverlässig eingenommen oder die Ernährungsvorgaben umgangen. Zudem fällt es Betroffenen meist besonders schwer, das Rauchen aufzugeben oder sich ausreichend zu bewegen. Das alles führt wiederum zu einem gesteigerten Risiko für schwankenden Blutzucker und damit einhergehende Folgeerkrankungen.1

Weiterhin haben viele Menschen mit Diabetes immer noch mit Vorurteilen und Stigmatisierungen zu kämpfen. So fühlen sich circa 11 Prozent aller Menschen mit Typ-1-Diabetes und circa 8 Prozent mit Typ-2-Diabetes in Deutschland stark sozial diskriminiert. Es überrascht daher nicht, dass sie besonders gefährdet sind, eine Depression zu entwickeln.

Diabetes als Folge einer Depression

Depression ist eine Erkrankung mit vielen Tücken: Die betroffenen Personen leiden meist unter Antriebslosigkeit, Interessenverlust oder emotionaler Instabilität. Das führt dazu, dass sie weniger auf einen gesunden Lebensstil achten, sich weniger bewegen und ungünstig ernähren – alles Faktoren, die einen Diabetes begünstigen.5

Weiterhin besteht ein hormoneller Zusammenhang: Depressive Personen haben oftmals eine gesteigerte Menge des Stresshormons Cortisol im Blut.5 Cortisol hemmt aber die Wirkung von Insulin, sodass die Bauchspeicheldrüse die Produktion hochfährt.5 Auf Dauer wird das Organ überlastet, Diabetes kann die Konsequenz sein. Studien zeigen: Depressionen erhöhen das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 60 Prozent.9

Da Menschen mit Depressionen es schwerer haben, die Anforderungen einer Diabetes-Therapie zu meistern, ist das Wohlbefinden oft stark eingeschränkt und sie nehmen Diabetes als hohe Belastung wahr.10

Kann Zucker Depressionen auslösen?

Zu viel Zucker begünstigt verschiedene Krankheiten, zum Beispiel Übergewicht oder Diabetes. Das ist schon länger bekannt. Ein Zusammenhang zwischen einem hohen Zuckerkonsum und Depressionen hingegen ist noch Gegenstand der Forschung. Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigte: Das Risiko für Depressionen bei Männern, die viel Zucker am Tag zu sich nahmen, war um 23 Prozent erhöht.

Manche Forscher:innen vermuten, dass biochemische Prozesse dahinterstecken: Zucker kann im Körper chronische Entzündungsreaktionen hervorrufen, die entsprechenden Werte steigen an. Das wiederum ebnet möglicherweise der Depression den Weg. Umso wichtiger ist es daher, auf eine gesunde und zuckerarme Ernährung  zu achten – das gilt für Menschen mit Diabetes und Menschen mit Depressionen gleichermaßen.

Ernährung bei Diabetes

Nur eine depressive Verstimmung oder Depressionen?

Depressive Verstimmungen sind vorübergehende Stimmungstiefs, die meist auf eine bestimmte Belastung oder Enttäuschung zurückgehen. Solche Phasen gehören zu den normalen Lebensverläufen dazu. Bei einer Depression hingegen handelt es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung, die behandelt werden sollte.

Typische Merkmale einer Depression sind:14

  • Antriebslosigkeit
  • Erschöpfung und bleierne Müdigkeit
  • Verlust von Interessen
  • Traurigkeit
  • Teilnahms- und Empfindungslosigkeit
  • Hoffnungslosigkeit
  • Verringertes Selbstwertgefühl
  • Schlafstörungen
  • Verminderter Appetit
  • Magen-Darm-Beschwerden

Während depressive Verstimmungen nach einiger Zeit wieder verschwinden, bleiben Depressionen über mindestens zwei Wochen bestehen – für Betroffene überschatten die Symptome sämtliche Lebensbereiche, sie verlieren ihre Lebensfreude und ziehen sich meist zurück.14

Es gibt klar definierte Krankheitszeichen, an denen sich eine klinische Depression erkennen und zum Beispiel von einem jahreszeitlichen Stimmungstief unterscheiden lässt. Ärzt:innen können diese Anzeichen mit einem gezielten Fragenkatalog ermitteln. Für eine erste eigene Einschätzung eignet sich aber auch ein Selbsttest, wie Sie ihn zum Beispiel auf der Homepage der Deutschen Depressionshilfe finden.15 Darin beantworten Sie Fragen zu Ihrer Gefühlslage, Schlafproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten und mehr.

Je nachdem, wie die einzelnen Antworten (von „überhaupt nicht“ bis „beinahe jeden Tag“) gewichtet wurden, gibt der Selbsttest Entwarnung oder empfiehlt einen Besuch in der Arztpraxis, um die Symptome abzuklären. Doch selbst wenn der Selbsttest ergibt, dass möglicherweise eine Depression vorliegt, besteht kein Grund zur Panik: Depressionen lassen sich mithilfe von Psychotherapie und/oder Medikamenten in der Regel gut behandeln.

Sprechen Sie bei einem Verdacht auf Depressionen Ihre:n Hausärzt:in an. Das ist wichtig, denn so erhalten Sie eine optimale Versorgung.

Therapiemöglichkeiten bei Diabetes und Depression

Da die Kombination aus Diabetes und Depression größere gesundheitliche Risiken birgt und sich sogar negativ auf die Lebenserwartung auswirken kann, sollten beide Erkrankungen gezielt behandelt werden. Bei der Diabetes-Therapie steht im Vordergrund, den Blutzuckerspiegel möglichst gut einzustellen. Dafür gibt es eine Reihe verschiedener Medikamente. Betroffene sind außerdem dazu angehalten, ihren Lebensstil anzupassen. Damit lässt sich oft schon einiges erreichen.

Blutzuckerwerte erklärt 

Für Menschen mit Diabetes stehen die gleichen Therapiemöglichkeiten für Depressionen zur Verfügung wie für gesunde Menschen: Medikamente (Antidepressiva) und Psychotherapien. Was für den einzelnen infrage kommt, legt der/die Ärzt:in zusammen mit dem/der Patient:in fest. Vorsicht: Einige Antidepressiva können zu Gewichtszunahme oder Fettstoffwechselstörungen führen.

Welche Behandlungen gibt es?

  • Bei leichten Beschwerden sind oft schon Diabetes-Schulungen ausreichend. Hier lernen Sie Fähigkeiten, um selbstbestimmt mit dem Diabetes umzugehen. Viele Menschen erleben zudem den Austausch mit anderen Betroffenen als Erleichterung – dafür bieten sich zusätzlich Diabetes-Gruppen oder ähnliche Angebote an.
  • Bei schwereren Depressionen kann in Einzelfällen die Umstellung der Diabetes-Therapie hilfreich sein. Die weitere Behandlung erfolgt mit antidepressiven Psychopharmaka und einer Psychotherapie. Bei Letzterer stehen gezielt die Probleme der Betroffenen im Mittelpunkt. Einen Ansprechpartner in Ihrer Nähe finden Sie über den Psychotherapieführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V.. Es besteht zudem die Möglichkeit einer Online-Therapie.

Das Therapieziel bei jeder Behandlung des Diabetes ist eine gute Lebensqualität. Der allgemeine Gemütszustand – also das subjektive Wohlbefinden – wird deshalb auch im Gesundheitspass Diabetes erfasst.

Fachleute schätzen, dass etwa zwei Drittel der Depressionen bei Diabetes unentdeckt bleiben.1 Um den Gesundheitszustand der Patient:innen zu verbessern, gehören Diagnose und Behandlung von Depressionen zu den wichtigen Aufgaben des Diabetes-Teams.

Depressionen vorbeugen

Besonders für Menschen mit Diabetes ist es wichtig, auf ihre mentale Gesundheit zu achten. Denn die Belastungen und Ängste, die bei vielen durch die Krankheit aufkommen, schlagen sich oft auf die Psyche nieder. Wir haben einige Tipps für Sie, was Sie tun können, um Depressionen vorzubeugen:

  • Akzeptanz: Dass der Diabetes ständig Aufmerksamkeit benötigt und einiges an Disziplin verlangt, ist verständlich. Da ist es ganz normal, wenn Frust, Wut oder andere negative Emotionen aufkommen. Versuchen Sie jedoch, die Situation so gut es geht anzunehmen. Betrachten Sie sie als Herausforderung und nicht als unüberwindbares Hindernis.
  • Soziale Kontakte: Wer sich sozial eingebunden fühlt und Freundschaften pflegt, schützt sich auch vor Einsamkeit. Grenzen Sie sich daher nicht ab, sondern suchen Sie die Nähe zu anderen. Der Kontakt zu weiteren Menschen mit Diabetes kann besonders wertvoll sein.
  • Ernährung: Verzichten Sie auf Suchtmittel wie Alkohol oder Nikotin und setzen Sie auf eine ausgewogene Vollwertkost. Streichen Sie möglichst Zucker von Ihrem Speiseplan: Das kommt dem Diabetes und der Depressionsprophylaxe gleichermaßen zugute.
  • Bewegung: Gehen Sie am besten jeden Tag an die frische Luft. Ob Spazieren oder Radfahren, machen Sie das, was Ihnen Freude bereitet. Tipp: Die Luft im Wald ist voller gesunder Stoffe und daher besonders zu empfehlen.
  • Entspannung: Was entspannt Sie? Ein Bad in der Wanne, das Lesen eines Romans oder eine Yoga-Einheit? Finden Sie heraus, was Ihnen Ruhe schenkt. Falls Sie sich schwer beruhigen können, lohnt es sich, eine Entspannungstechnik wie autogenes Training oder die progressive Muskelentspannung zu erlernen. Auch mit Mediation haben schon viele Menschen positive Erfahrungen gemacht. Schlafen Sie zudem ausreichend.
  • Dankbarkeit: Beachten Sie bewusst die Dinge im Leben, die gut laufen und über die Sie sich freuen können. Ein gemütliches Bett, das Leben im Frieden, die Tasse Kaffee oder das Schnurren einer Katze: Es gibt so viel Schönes, Sie müssen nur hinschauen. Legen Sie doch ein kleines Notizbüchlein an und tragen Sie jeden Tag 5 Dinge dort ein, für die Sie dankbar sind. Das hilft, den Fokus weg von Ihrem Diabetes zu richten.

Negative Gedanken sind bei Menschen mit Diabetes von Zeit zu Zeit ganz normal. Wenn Sie aber das Gefühl haben, von einer bleiernen Traurigkeit gefangen zu sein: Lassen Sie sich helfen, damit Sie Ihr Leben wieder genießen können.

Quellen

1 Gefährliches Duo: Diabetes und Depression - DLR Gesundheitsforschung. (o. D.). Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt e.V. - DLR Gesundheitsforschung. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/gefaehrliches-duo-diabetes-….

2 Kulzer, B. (2022, 16. März). Körperliche und psychische Folgeerkrankungen bei Diabetes mellitus. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 65(4), 503–510. https://doi.org/10.1007/s00103-022-03517-y.

3 #SagEsLaut macht Sorgen von Menschen mit Typ-2-Diabetes sichtbar. (2022, September 20). diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 01. März 2023, von https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/sageslaut-macht-sorgen-mens….

4 Die Seele trauert unsichtbar – Menschen mit Diabetes haben erhöhtes. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/seele-trauert-unsichtbar-me….

5 Depression und Diabetes. Die Techniker. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-med….

6 Diabetes und Depression: Hier gibt es einen Zusammenhang - LZG (DE). (n.d.). Zugegriffen am 25. Oktober 2022, von https://www.lzg-rlp.de/de/event/diabetes-und-depression-hier-gibt-es-ei….

7 Depression Hintergrund. Stiftung Gesundheitswissen. Abgerufen am 25. Oktober 2022, von https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/depression/hintergrund.

8 Kulzer et al. Diabetesbezogene Belastungen, Wohlbefinden und Einstellung von Menschen mit Diabetes: Deutsche Ergebnisse der DAWN2™-Studie. In: Diabetologe 2015; 11:211–218. Abgerufen am 01. März 2023, von https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s11428-015-1335-8.pdf.

9 Petrak, F. (2011). Depression und Demenz bei Diabetes. Diabetes, Stoffwechsel Und Herz, 20, 246–249. https://www.researchgate.net/publication/231554142_Depression_und_Demen….

10 Hermanns, N., Kulzer, B., Krichbaum, M., Kubiak, T., & Haak, T. (2006). How to screen for depression and emotional problems in patients with diabetes: comparison of screening characteristics of depression questionnaires, measurement of diabetes-specific emotional problems and standard clinical assessment. Diabetologia, 49(3), 469–477. https://doi.org/10.1007/s00125-005-0094-2.

11 Knüppel, A., Shipley, M. J., Llewellyn, C. H., & Brunner, E. J. (2017). Sugar intake from sweet food and beverages, common mental disorder and depression: prospective findings from the Whitehall II study. Scientific Reports, 7(1). https://doi.org/10.1038/s41598-017-05649-7.

12 Hochrein, S. M., Wu, H., Eckstein, M., Arrigoni, L., Herman, J. S., Schumacher, F., Gerecke, C., Rosenfeldt, M., Grün, D., Kleuser, B., Gasteiger, G., Kastenmüller, W., Ghesquière, B., Van den Bossche, J., Abel, E. D., & Vaeth, M. (2022). The glucose transporter GLUT3 controls T helper 17 cell responses through glycolytic-epigenetic reprogramming. Cell Metabolism, 34(4), 516-532.e11. https://doi.org/10.1016/j.cmet.2022.02.015.

13 Kiecolt-Glaser, J. K., Derry, H. M., & Fagundes, C. P. (2015). Inflammation: Depression Fans the Flames and Feasts on the Heat. American Journal of Psychiatry, 172(11), 1075–1091. https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2015.15020152.

14 Depression: Symptome, Ursachen, Therapie. gesund.bund.de. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://gesund.bund.de/depression.

15 Selbsttest. Deutsche-depressionshilfe.de, Abgerufen am 1. März 2023, von https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/sel….

16 Behandlung. Stiftung Gesundheitswissen. Abgerufen am 1. März 2023, von https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/depression/behandlung.