Respekt und Empathie zeigen sich auch bei Diabetes im Sprachgebrauch

Wie mit oder über Menschen mit Diabetes gesprochen wird, kann deren Therapieerfolg entscheidend beeinflussen. Während diskriminierende und stigmatisierende Formulierungen am Selbstvertrauen kratzen, kann eine respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe zu einem eigenverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung ermutigen. Hier erfahren Sie mehr dazu!

2 junge Frauen tauschen sich über die richtige Kommunikation bei Diabetes aus.

Der Ton macht die Musik

Über die Macht der Worte und der Kommunikation gibt es in unserer Gesellschaft immer wieder Diskussionen. Sprachgebrauch und Formulierungen haben Einfluss darauf, wie Menschen mit Erkrankungen wie Diabetes in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Es macht eben einen Unterschied, ob jemand sagt „Hierzulande leiden gut 8,7 Millionen Menschen an Diabetes“ oder „In Deutschland leben 8,7 Millionen Menschen mit Diabetes“. Oder ob von der Zuckerkrankheit die Rede ist, bei der man fast zwangsläufig an ungezügelte Süßigkeiten-Orgien denken muss – oder aber die sachlich korrekte Bezeichnung Diabetes verwendet. Denn hinter einer Diabetes-Diagnose muss bekanntlich kein zwangsläufig hoher Zuckerkonsum stecken. Und ohnehin sind Vorwürfe und Schuldzuweisungen im Zusammenhang mit Erkrankungen ganz einfach fehl am Platz. Ein jüngst veröffentlichtes Positionspapier zeigt, welche Begriffe Diabetes-Expert:innen empfehlen und von welchen sie eher abraten.

1. Bahnbrechendes Gemeinschaftsprojekt

Language Matters“ heißt es daher seit vielen Jahren in den Diabetes-Communities etlicher anderer Länder: Es kommt auf die Sprache an.2 Seit Kurzem gibt es auch in Deutschland ein Positionspapier, in dem sich Interessierte über respektvolle und empathische Sprache zum Thema Diabetes informieren können. Die deutsche Diabetes-Community ist mit ihrem Positionspapier zwar einige Jahre später dran als die anderen Länder. Doch dafür haben an ihrer Publikation Vertreter:innen aus gleich 3 wichtigen Gruppen gleichberechtigt mitgewirkt:

  • Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes (#dedoc°)
  • Dachorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe (diabetesDE)
  • wissenschaftliche Fachgesellschaft Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG)

Dass sich Behandelnde und Diabetes-Betroffene zusammengefunden haben, um gemeinsam ein Positionspapier zu sensibler Sprache zu entwickeln, ist tatsächlich ein absolutes Novum im deutschen Gesundheitswesen. Das Positionspapier wendet sich gleichermaßen an Menschen mit Diabetes und deren Angehörige, Medienschaffende, Lehrkräfte sowie an die breite Öffentlichkeit – und natürlich an das Fachpersonal der verschiedenen Gesundheitsberufe.

2. Respekt für die Leistung von Menschen mit Diabetes

Auch in der Diabetes-Therapie spielt die Wortwahl eine große Rolle. Spricht das Behandlungsteam beispielsweise davon, dass „Patient:innen in der Diabetes-Praxis eingestellt werden“, entsteht ein völlig falsches Bild davon, wie eine Diabetes-Therapie im Alltag abläuft. Denn letztlich sind es in erster Linie die Menschen mit Diabetes selbst, die im Alltag jeden Tag aufs Neue eigenverantwortlich Therapieentscheidungen treffen. Eine Formulierung wie „Die Diabetes-Praxis unterstützt und begleitet Menschen mit Diabetes in ihrer Therapie“ stimmt viel eher mit der Realität überein.

Zudem spricht aus ihr auch Respekt für die Leistung von Betroffenen, die jeden Tag – auch an Wochenenden und im Urlaub – Glukosewerte interpretieren, über den Kohlenhydratgehalt ihrer Mahlzeiten nachdenken und ihre Medikamente dosieren müssen.

3. Entscheidungen zur Therapie werden heute gemeinsam getroffen

Hinter dem Sprachwandel steckt auch ein verändertes Rollenverständnis in der Medizin. Früher galt es als normal, dass Menschen in weißen Kitteln ihren Patient:innen Anweisungen geben, wie sie mit ihrer Erkrankung umzugehen haben. Wer die ärztlichen Anordnungen verweigerte, galt als nicht therapietreu. Was Menschen mit Diabetes sich selbst von ihrer Therapie erhoffen, welche Behandlung in ihren Alltag passt und womit sie sich wohlfühlen, war damals völlig unerheblich.

Heute hingegen legt man in der Medizin mehr Wert darauf, Menschen zuzuhören, auf ihre Wünsche und Erwartungen einzugehen und sie zum eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung zu befähigen. Ob eine Therapie für sie geeignet und erfolgreich ist, wird auch an ihrer Lebensqualität gemessen. Der Schlüssel hierfür ist die sogenannte partizipative (gemeinsame) Entscheidungsfindung, die mittlerweile auch in den wissenschaftlichen Leitlinien verankert ist.4

4. Zum Nachdenken über die eigene Sprache anregen

Angesichts des neuen Positionspapiers gibt es nun jedoch keine „Sprachpolizei“ zu befürchten, die anderen Menschen den Mund verbieten möchte. Die sprachlichen Empfehlungen sollen weder belehren noch verbessern, sondern zum Nachdenken über die eigene Sprache im Zusammenhang mit Diabetes anregen. Außerdem sollen sie aufzeigen, dass es Alternativen für einen reflektierten, nicht diskriminierenden Sprachgebrauch gibt.

5.Worte und Formulierungen auf dem Prüfstand

Hier ein paar Beispiele:
Günstige Begriffe und die empfohlene Alternative Warum?
"Altersdiabetes Empfohlene Alternative: Diabetes im (höheren) Erwachsenenalter, gegebenenfalls unter Angabe des Diabetes-Typen" Früher wurde Typ-2-Diabetes häufig als „Altersdiabetes” bezeichnet. Dieser Begriff ist nicht mehr zeitgemäß: Man weiß inzwischen, dass unterschiedliche Diabetes-Formen in verschiedenen Lebensaltern vorkommen.
"Jugenddiabetes Empfohlene Alternative: Diabetes im Kindes- und Jugendalter, gegebenenfalls unter Angabe des Diabetes-Typen" Typ-1-Diabetes galt lange auch als „Jugenddiabetes”. Die Bezeichnung wird heute jedoch nicht mehr verwendet: Es ist mittlerweile bekannt, dass verschiedene Diabetes-Formen in jedem Alter auftreten.
"„Schlimmer” Diabetes Empfohlene Alternative: Diabetes unter Angabe des Diabetes-Typs (Typ-1, Typ-2 sowie andere Formen)" Viele Menschen denken bei „schlimm” an die Notwendigkeit einer Insulintherapie. Wie „schlimm” und belastend ein Mensch seinen Diabetes empfindet, ist aber sehr verschieden.
"An Diabetes „leiden” Empfohlene Alternative: Mit Diabetes leben, Diabetes haben" Niemand möchte sich als hilfloses Opfer einer Erkrankung fühlen. Ob und wie stark ein Mensch unter Diabetes leidet, ist ebenfalls sehr unterschiedlich.

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Quellen

1 Diabetes in Zahlen. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 20. Februar 2023, von https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/was_ist_diabetes_/diabetes_in….

2 Publications. Language Matters. Abgerufen am 20. Februar 2023, von https://www.languagemattersdiabetes.com/the-documents.

3 Sprache und Diabetes #LanguageMatters. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 20. Februar 2023, von https://www.diabetesde.org/system/files/documents/08_languagematters_po….

4 1 Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen. Leitlinien.de. Abgerufen am 20. Februar 2023, von https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/2-auflage/kapitel-1.