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Drei Jugendliche im Freien: Gemeinsam kommen sie mit Diabetes gut durch die Pubertät.

Prof. Dr. Karin Lange: Mit Diabetes gut durch die Pubertät

Die Hormone fahren Achterbahn, die Stimmungen schwanken, der eigene Körper verändert sich und die Beziehungen zu den Eltern und Freunden sind nicht mehr, was sie einmal waren: Die Pubertät ist eine schwierige Zeit – und kann auch Einfluss auf die Einstellung zum Diabetesmanagement haben.

Warum ist die Mischung aus Diabetes und Pubertät derart brisant?

Die Kombination ist sicher für viele Familien eine Herausforderung, aber keinesfalls immer brisant. Im Moment gibt es einen gesellschaftlichen Hype, der uns suggeriert, dass die Pubertät ganz schrecklich ist – vielleicht auch, weil wir zu viel von Jugendlichen erwarten und ihnen andererseits zu wenig Orientierung anbieten. Aber letztlich kommt die Masse der Jugendlichen mit und ohne Diabetes gut durch die Pubertät.

Selbstverständlich gibt es eine kleine Gruppe – auch ohne Diabetes – die sich sehr schwer tut, psychisch erkrankt und/oder drogenabhängig wird. Oft zeichnet sich deren Problematik bereits relativ früh in der Kindheit ab und wird durch ungünstige Lebensumstände zusätzlich verstärkt. Ein Großteil der Jugendlichen ist mal für eine begrenzte Zeit anstrengend für die Eltern, aber auch für sich selbst. Doch wenn man einigen guten Jugendstudien glauben kann, sind die Eltern noch immer die wichtigsten Bezugspersonen. Das zeichnet sich auch bei Jugendlichen mit Diabetes ab. Die „strengen“ Eltern werden dann doch als die gesehen, denen ihre Kinder wichtig sind und die sich kümmern.

Beim Diabetes spielen biologische, das heißt körperliche Veränderungen eine wichtige Rolle. Durch die Ausschüttung des so genannten Wachstumshormons (es ist unter anderem wirklich für den Wachstumsschub in der Pubertät verantwortlich) verliert das Insulin an Wirksamkeit. Es kommt zu einem Verlust der Insulinsensitivität, der sich leider unvorhersehbar einstellen kann.

Die Folge sind Blutzuckerschwankungen, die nicht durch Bewegung, Insulingaben oder Nahrungsaufnahmen zu erklären sind. Das kann gerade Jugendliche sehr frustrieren, die sich sehr viel Mühe mit ihrem Diabetes geben und trotzdem wiederholt Misserfolge erleben. Hier heißt es Geduld haben, die Phase geht vorbei, hohe Werte korrigieren und den Mut nicht verlieren.

Ein weiterer Punkt ist, dass sich das Gehirn der Jugendlichen im Umbau befindet. Besonders betroffen ist dabei ein Hirnareal, der so genannte präfrontale Cortex, der für komplexe Entscheidungen, die Steuerung des Verhaltens und die Einschätzung von Risiken verantwortlich ist. Dieses Hirnareal entwickelt sich relativ spät und ist erst im frühen Erwachsenenalter ausgereift.

Gleichzeitig kommt es in Hirnarealen, die für das Stresserleben und das emotionale Befinden eine zentrale Bedeutung haben, ebenfalls zu Veränderungen. Im Bereich des Limbischen Systems kommt es zu überschießenden Reaktionen, die Steuerung ist noch nicht ausgereift. Jugendliche sind daher weniger stressstabil und erleben innerhalb weniger Minuten massive Stimmungsschwankungen „von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt“.

Entsprechend schwer fällt es Jugendlichen, gelassen auf schwankende Blutzuckerwerte oder auf besorgte Fragen der Eltern zu reagieren. Trotz allem sollten Eltern versuchen, mit ihren Jugendlichen im Gespräch zu bleiben, sie zu unterstützen und nicht jeden Gefühlsausbruch auf die Goldwaage legen.

Was müssen und können Jugendliche in der Therapie leisten?

Prof Dr Karin Lange

Für Jugendliche mit Diabetes werden verschiedene Folgeschulungen ambulant, stationär oder während Diabetes-Camps angeboten. Am Kinderkrankenhaus auf der BULT in Hannover wird gerade ein Kurs vorbereitet und vor den Sommerferien angeboten, der sich mit dem Thema „Wechsel in die weiterführende Schule“ befasst. Das beinhaltet vor allem, selbstständiger zu handeln und selbstbewusst mit dem Diabetes umzugehen.

Für ältere Jugendliche und junge Erwachsene spielt das Schlagwort Transition, das heißt der Wechsel in die Erwachsenen-Diabetologie, eine große Rolle. Passend dazu gibt es eine Website für Interessierte, die sich an chronisch kranke Jugendliche richtet.1 Hier finden sich viele Informationen zu praktischen Fragen (zum Beispiel Versicherungen, Beruf, Studium, Ernährung, Alkoholkonsum bei chronischen Krankheiten), zu Partnerschaft, Sexualität und Familienplanung. Außerdem ist ein Austausch mit anderen jungen Leuten in Foren möglich.

 

Was sollten Jugendliche mit Diabetes über Alkohol wissen?

Mit 16 Jahren dürfen Jugendliche legal Bier trinken, egal ob mit oder ohne Diabetes. In den Diabetesschulungen für die Altersgruppe ist die Wirkung von alkoholhaltigen Getränken und der Umgang damit ein wichtiges Thema. Ein strenges Verbot macht hier ebenso wenig Sinn wie ein unbegrenzter Genuss.

Es ist relativ leicht zu verstehen, dass reiner Alkohol den Blutzuckerwert senken kann. Da einige alkoholhaltige Getränke aber auch viel Zucker enthalten, müssen Jugendliche wissen, wie sie ihre Lieblingsgetränke einschätzen und sich vor riskanten Situationen schützen können.

Ein einfaches Berechnungsmodell gibt es dazu leider nicht. Hier hilft es nur, vorsichtig in kleinen Schritten Erfahrungen zu sammeln. Das größte Risiko besteht dann, wenn Jugendliche im Alkoholrausch nicht mehr wissen, was sie tun, ob sie Insulin gespritzt haben oder nicht. Dies sollten Jugendliche auf jeden Fall vermeiden. Zumindest sollten die Freund:innen im Notfall wissen, dass der oder die Betroffene Diabetes hat.

Gibt es typische seelische Belastungen bei Jugendlichen mit Diabetes?

Es gibt aktuell die Lebenschancen-Studie, die dazu ein gutes Bild vermittelt hat, aber auch viele andere Studien weisen auf die besonderen Herausforderungen von Jugendlichen mit Diabetes. Es braucht nicht viel Fantasie, um festzustellen, dass die Anforderungen des Diabetes denkbar schlecht zu den Möglichkeiten eines „pubertierenden Gehirns“ passen.

In erster Linie „nerven“ der Diabetes und seine hohen Anforderungen an Selbstdisziplin und vorausschauendes Denken. Trotz großer Anstrengung sind daher viele Jugendliche zumindest eine Zeit lang deutlich überfordert und auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Da sie sich aber gleichzeitig um Unabhängigkeit von ihren Eltern bemühen und sich deren Kontrollen entziehen, kommt es zwangsläufig zu Konflikten über die „schlampige Diabetesbehandlung“.

Ein anderes Thema betrifft die Akzeptanz des Diabetes. Erst Jugendliche begreifen die Tragweite und „Lebenslänglichkeit“ ihrer Stoffwechselstörung. Gleichzeitig suchen sie – wie alle Gleichaltrigen – nach ihrer eigenen Identität: „Wer bin ich eigentlich? Bin ich normal?“ sind typische Fragen, die sich viele Pubertierende stellen.

Der Diabetes steht dabei für ihr Anderssein und kann zu seelischen Belastungen vor allem bei Jugendlichen mit geringem Selbstbewusstsein führen. Kommen dann noch Mobbing durch Gleichaltrige und eine schlechte soziale Einbindung hinzu, kann es zu schweren seelischen Belastungen kommen.

Es zeigt sich dazu in einigen aktuellen Studien, dass die Rate an milden Depressionen und auch typischen subklinischen Essstörungen unter Jugendlichen mit Diabetes gegenüber stoffwechselgesunden Gleichaltrigen erhöht ist. Eltern und Betroffene sollten hier nicht zögern, das Diabetesteam früh genug um Unterstützung zu bitten. Oft hilft bereits eine einfühlsame Beratung, manchmal ist auch eine längere Psychotherapie erforderlich, um das seelische Gleichgewicht wiederzuerlangen.

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Quellen

1Bist du fit für den Wechsel?, Kompetenznetz Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter KomPaS e. V., siehe http://between-kompas.com/ [Zuletzt abgerufen am 30.07.2021].

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