Welche Kohlenhydrate bei Diabetes? – Der glykämische Index hilft

Kohlenhydrate erhöhen den Blutzuckerspiegel, das ist bekannt.1 Doch wie schnell dieser ansteigt, hängt neben der Menge auch mit der Art zusammen: Wie unterscheiden sich einfache von komplexen Kohlenhydraten und wie wichtig ist der glykämische Index im Diabetes-Alltag? Hier gibt es Antworten!

Reis, Nudeln und Kartoffeln: Kohlenhydrate kommen in Lebensmitteln in unterschiedlicher Form vor und haben einen bestimmten glykämischen Index.

Diabetes: Einfache und komplexe Kohlenhydrate leicht erklärt

Einfache Kohlenhydrate kann der Körper leicht verdauen. Sie gehen aus dem Darm schnell ins Blut über und lassen den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen.1 Diese Zucker finden sich zum Beispiel in Süßigkeiten, Limonaden, Gebäck und auch in zahlreichen Fertigprodukten.2

Komplexe Kohlenhydrate dagegen zerlegt der Körper nur langsam, wodurch sich der Blutzuckerspiegel auch erst später erhöht.1 Sie sind enthalten in Gemüse, Obst , Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten.2

Bei Diabetes ist daher genauer auf die Art der Kohlenhydrate zu achten: Die langsam wirkenden Kohlenhydrate eignen sich besser als die einfache Form, um die Zuckerversorgung möglichst gleichmäßig zu halten.3 Ansonsten schwankt der Blutzuckerspiegel zu sehr, was den Stoffwechsel auf Dauer belastet.3

Welche Kohlenhydrate sind in meinem Essen?

Bei verpackten Produkten hilft die Nährwerttabelle: „Kohlenhydrate“ zeigt den Wert für alle Zucker zusammen. „davon Zucker“ ist die Angabe für die einfachen Kohlenhydrate (hierzu zählen Einfach- und Zweifachzucker). Die Menge an komplexen Kohlenhydraten (also alle Mehrfachzucker) erhalten Sie, wenn Sie vom Gesamt-Kohlenhydrat-Wert den „davon Zucker“-Wert abziehen.4

Für Menschen, die sich Insulin verabreichen müssen, braucht es aber noch genauere Information: Damit sie ihre Hormon-Zufuhr richtig einstellen können, müssen sie wissen, in welchem Ausmaß sich einfache und komplexe Kohlenhydrate genau auf den Blutzuckerspiegel bei Diabetes auswirken. Hier kommen der glykämische Index und die glykämische Last ins Spiel:1

  • Der glykämische Index (GI) zeigt an, wie schnell ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel erhöht.
  • Die glykämische Last (GL) dagegen sagt aus, wie viele Kohlenhydrate der Körper beim Essen wirklich aufnimmt.

Somit ist der GI eine Art Vorstufe der GL. Er bietet eine erste Übersicht über den Speiseplan – wie stark sich ein Lebensmittel aber genau auf den Blutzuckerspiegel auswirkt, sagt erst die GL.

Blutzucker verstehen >>

Glykämischer Index: Ein Wegweiser der Kohlenhydrate

Der glykämische Index (GI) dient als Orientierung in der Ernährung bei Übergewicht , Herzerkrankungen und eben auch Diabetes. Er soll helfen, die richtigen Lebensmittel auszuwählen beziehungsweise die passende Insulinmenge einzustellen :

  • Kohlenhydrate mit niedrigem GI lassen den Blutzucker langsam steigen.4
  • Ein hoher GI dagegen sagt, dass sich der Blutzucker nach Verzehr schnell erhöht.5

Menschen mit Diabetes sollten Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index, also die langsam wirkenden Kohlenhydrate, bevorzugen.3 Studien belegen auch, dass eine Ernährung mit niedrigem GI die Blutzuckerwerte sowie die Insulinempfindlichkeit verbessern können.3

Möglichkeiten zur Insulin-Dosierung >>

Tabelle: Glykämischer Index von ausgewählten Lebensmitteln

Der glykämische Index, auch Glyx genannt, dient als Wegweiser bei der Wahl der „guten“ Kohlenhydrate.5 Der Wert ist in Prozent angegeben. Er ergibt sich durch den Vergleich, wie stark das Lebensmittel im Gegensatz zu Glukose (Traubenzucker) den Blutzuckerspiegel erhöht. Der GI von Traubenzucker ist dafür auf 100 Prozent festgelegt.5

Folgende Einstufungen gelten für den GI:5

  • Hoch: über 70 Prozent
  • Mittel: 55 bis 70 Prozent
  • Niedrig: unter 55 Prozent

Bei Diabetes finden Sie Hilfe für Ihren Speiseplan in folgender Lebensmittel-Tabelle, die den glykämischen Index von häufig konsumierten Kohlenhydraten in absteigender Reihenfolge zeigt:5

Lebensmittel Glykämischer Index in Prozent
Traubenzucker 100
Weißer Reis 87
Gekochte Kartoffeln 78
Pommes frites 75
Weißbrot 73
Wassermelone 72
Vollkornbrot, fein 70
Zucker 68
Rosinen 64
Müsliriegel 61
Basmatireis 58
Haferflocken 55
Vollkornbrot, ganze Körner 52
Salzkartoffeln 50
Möhren 47
Äpfel 38
Spaghetti al dente 38
Linsen 30

Allgemein stuft der Index ein Lebensmittel mit hohem glykämischen Wert qualitativ schlechter ein als eines mit niedrigem Index.5



Wie wichtig ist der glykämische Index im Diabetes-Alltag?

Allgemein bietet der glykämische Index also einen ersten Eindruck, wie stark sich Kohlenhydrate in einem Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel auswirken. Aber Achtung bei der Liste: Der hohe GI von Wassermelonen liegt zum Beispiel daran, dass er sich stets auf 50 Gramm Kohlenhydrate eines bestimmten Lebensmittels bezieht.5 Das heißt, dass man ziemlich viel Wassermelone – über 800 Gramm – essen müsste, um diese 50 Gramm Kohlenhydrate zu erreichen.5 Deshalb wird der glykämische Index durch die glykämische Last ergänzt, die die tatsächlich aufgenommene Menge an Lebensmitteln mit einbezieht.5

Neben der schwierigen Vergleichbarkeit von Lebensmitteln (durch den Bezug zum Gewicht) hat der glykämische Index noch weitere Schattenseiten, die seine Aussagekraft deutlich verringern:5

  • Bei Obst und Gemüse sind es auch Anbaugebiet, Reifegrad und Sorte, die den Effekt auf den Blutzuckeranstieg beeinflussen.
  • Normalerweise isst man in einer Mahlzeit mehrere Lebensmittel zusammen. Es kommen also auch Fett, Proteine und Ballaststoffe  hinzu, welche die Aufnahme der Kohlenhydrate ins Blut verlangsamen. Bei Diabetes kann daher zusätzlich die Berechnung der Fett-Protein-Einheit, kurz FPE , die Insulindosierung erleichtern.
  • Auch die Verarbeitung und Zubereitung bestimmen, wie stark sich das Essen auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Dazu dient der Hinweis „al dente“ bei Spaghetti in der Glyx-Tabelle: Lebensmittel, die erhitzt werden, haben in der Regel einen höheren GI, als wenn sie kalt bleiben.

Fett-Protein-Einheit (FPE) berechnen >> 

Zusammenfassend ist der glykämische Index für Menschen mit Diabetes im Alltag also nur begrenzt anzuwenden. Wichtiger ist es, ihn als Orientierungshilfe für eine ausgewogene Ernährung zu sehen.

Ernährung bei Diabetes >>

Kohlenhydratmengen in Lebensmitteln berechnen: Die glykämische Last

Es ist also nicht allein die Menge des Lebensmittels, die den Blutzuckerspiegel erhöht. Vielmehr kommt es darauf an, wie viel der Körper an Kohlenhydraten daraus aufnimmt.5 Doch wie lässt sich das berechnen?

Für die Berechnung müssten Sie zunächst wieder den glykämischen Index heranziehen: Die glykämische Last ergibt sich aus dem GI multipliziert mit der Menge an verwertbaren Kohlenhydraten (in Gramm) geteilt durch 100.6 Ein Beispiel:

Eine Scheibe Weißbrot (GI = 73 Prozent) enthält 14 Gramm Kohlenhydrate:

GL = 0,73 x 14 = 10,2

Das Ergebnis gibt eine grobe Orientierung, wie groß der Effekt des kohlenhydrathaltigen Lebensmittels auf den Blutzuckerwert ist. Die glykämische Last ist folgendermaßen einzustufen:6

  • Niedrig: bis 10
  • Mäßig: 10 bis 20
  • Hoch: ab 20

Bei Diabetes empfiehlt es sich, solche Kohlenhydrate zu wählen, die den Blutzucker langsam ansteigen lassen.7 Hier kann gegebenenfalls eine schrittweise Ernährungsumstellung helfen, bei der auf Wunsch ärztliches Fachpersonal beratend zur Seite steht.

Es gibt auch mögliche Hinweise darauf, dass ein höheres Diabetes-Risiko mit einem erhöhten GI zusammenhängt.6 Solange keine eingeschränkte Nierenfunktion vorliegt, können Menschen mit Diabetes daher zuckerreiche Nahrungsmittel reduzieren und solche mit niedriger glykämischer Last bevorzugen.6

Wie viele Kohlenhydrate bei Diabetes pro Tag?

Eines vorab: Menschen mit Diabetes dürfen grundsätzlich alles essen.3 Spezielle Regeln oder sogar Diäten gehören der Vergangenheit an.3 Trotzdem bildet eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend „guten“ (komplexen) Kohlenhydraten den Grundstein für eine erfolgreiche Diabetes-Behandlung.

Wissenschaftler:innen haben bisher noch keine genaue Zahl ermittelt, wie hoch die Menge an Kohlenhydraten in der Ernährung sein soll.6 Sie hängt zu stark von der individuellen Medikation oder Insulintherapie ab.7

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft sagt, dass der Anteil an Kohlenhydraten an der aufgenommenen Gesamtenergie bei 45 bis 60 Prozent liegen kann – diese Zahl ist aber umstritten.7 Bei Typ-2-Diabetes raten Expert:innen, die Kohlenhydratzufuhr auf etwa 45 Prozent der Energiezufuhr pro Tag zu beschränken.8 Der Grund: Einige Betroffene können eine größere Kohlenhydratbelastung nur schlecht kompensieren.9

Die aktuelle Datenlage scheint darauf hinzudeuten, dass eine kohlenhydratreduzierte Ernährung möglicherweise den Zuckerstoffwechsel verbessert.7 Je nach Definition bedeutet das 26 bis 45 Prozent Kohlenhydrate an der gesamten Energiezufuhr.7

Low-Carb-Diäten nur bedingt sinnvoll:

Eine Ernährung mit nur wenigen Kohlenhydraten, auch Low Carb genannt, ist sowohl bei Abnehmwilligen als auch Menschen mit Diabetes beliebt. Weil bei Typ-2-Diabetes oft Übergewicht vorliegt, kann die Ernährungsform zur Gewichtsreduktion auch zielführend sein.3,10

Hier empfiehlt sich aber immer die Absprache mit ärztlichem Fachpersonal, weil bei strengen Low-Carb-Diäten auch Gefahren wie Unterzuckerung lauern.10

Wichtiger als die Menge eines Nährstoffs ist die gesamte Zusammensetzung des Lebensmittels, weil beispielsweise Fette und Ballaststoffe die Aufnahme der Kohlenhydrate beeinflussen.7 Für Menschen mit Diabetes empfehlen sich vor allem Kohlenhydrate aus Gemüse, Hülsenfrüchten, frischem Obst und Vollkornprodukten – diese Lebensmittel sind reich an Ballaststoffen, die den Blutzucker nur langsam ansteigen lassen.7

Quellen

1 Wie gesund sind Kohlenhydrate? Stiftung Gesundheitswissen. Abgerufen am 9. November 2022, von https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/ernaehrung-leb….

2 Basis der gesunden Ernährung. Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH. Abgerufen am 9. November 2022, von https://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-022014/basis-der-ge….

3 Ernährung bei Diabetes mellitus. Die Techniker. Abgerufen am 9. November 2022, von https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-med….

4 Kohlenhydrate sind nicht gleich Kohlenhydrate - Wissenswertes zum Glykämischen Index. Die Techniker. Abgerufen am 9. November 2022, von https://www.tk.de/techniker/magazin/ernaehrung/essen-und-wissen/glykaem….

5 Glykämischer Index und glykämische Last - Ernährungstherapeutischer Stellenwert. Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FETeV). Abgerufen am 9. November 2022, von https://fet-ev.eu/glykaemischer-index/.

6 Diabetes Typ 2: Ernährung. Helmholtz Zentrum München. Abgerufen am 11. November 2022, von https://www.diabinfo.de/leben/typ-2-diabetes/behandlung/ernaehrung.html.

7 Diabetes: Kohlenhydrate und Fette. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). Abgerufen am 11. November 2022, von https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/stoffwechsel/diabetes/kohlenhy….

8 Kohlenhydrate in der Diabetes-Kost. Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Abgerufen am 11. November 2022, von https://www.diabetes-deutschland.de/archiv/1138.htm.