Typ-1- und Typ-2-Diabetes: Ist die Krankheit heilbar?

Etwa 8 Millionen Menschen in Deutschland haben Diabetes, die meisten davon Typ 2. Die Erkrankung betrifft den Zuckerstoffwechsel und kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Für viele Betroffene klingt es wohl wie ein Traum, dass Diabetes heilbar sein könnte. Aber kann man Diabetes wirklich heilen? Hier erfahren Sie es!

Silhouette am Strand vor buntem Himmel: Ist Diabetes heilbar?

Lässt sich Diabetes generell rückgängig machen?

Bis zur Entdeckung des Insulins im Jahr 1921 war die Diagnose Diabetes fast immer ein Todesurteil.2 Innerhalb von 1 bis 2 Jahren verstarben die Patient:innen infolge eines diabetischen Komas.2

Seit nunmehr über 100 Jahren können Betroffene die Krankheit durch die Gabe von Insulin gut in den Griff bekommen – aber kann man Diabetes auch vollständig heilen?

Vor 10 bis 20 Jahren war das noch gänzlich undenkbar.1 Heute ist die Forschung aber bereits einen großen Schritt weiter: Diabetes mellitus muss keine unausweichliche Erkrankung sein. Vor allem Typ-2-Diabetes entsteht meist als Folge von Übergewicht, falscher Ernährung sowie mangelnder Bewegung und kann deshalb durchaus auch wieder verschwinden.1

Ist Typ-1-Diabetes heilbar?

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung mit vielfältigen Gesichtern. Typ-1-Diabetes ist zum Beispiel eine Autoimmunkrankheit. Bei der chronischen Erkrankung zerstört das Immunsystem Insulin-produzierende Zellen der Bauchspeicheldrüse – ein Insulinmangel ist die Folge.

Diese verloren gegangenen Zellen lassen sich nicht einfach ersetzen. Betroffene müssen ihrem Körper also in jedem Fall von außen Insulin  zuführen, entweder mit einem Pen oder einer Insulinpumpe.1 Deshalb ist Typ-1-Diabetes bislang nicht heilbar.1 Ihre Hoffnungen setzen Mediziner:innen nun in die Stammzellenforschung.

Alles über Typ-1-Diabetes 

Ist Typ-2-Diabetes heilbar?

Bei Typ-2-Diabetes sieht die Lage anders aus: Diese Form ist in den meisten Fällen eine erworbene Erkrankung.1 Dabei kann mit der Nahrung aufgenommener Zucker nicht mehr in die Zellen von Organen gelangen, weil das Insulin seine Wirkung verliert – die Körperzellen entwickeln dann eine Resistenz gegen das Hormon. In der Folge bleibt die Glukose im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt. Der Körper reagiert auf die Resistenz, indem er schließlich die Insulinproduktion herunterfährt.

Die Ursachen liegen meist im Lebensstil: Vor allem eine falsche Ernährung mit zu vielen (leeren) Kohlenhydraten und wenig Ballaststoffen ist ein Risikofaktor.1 Hinzu kommt oft mangelnde körperliche Aktivität.

Typ-2-Diabetes kann laut einer Studie aber mithilfe von konsequenten Veränderungen des Lebensstils wieder verschwinden.3 Dann treten die Symptome auch ohne Medikamente nicht mehr auf und der Stoffwechsel normalisiert sich. Notwendig dafür ist häufig eine Gewichtsreduktion. Regelmäßige Bewegung und eine Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten sollten auf dem Tagesplan stehen.

Betroffene haben damit gute Aussichten, den Diabetes wieder loszuwerden. Falls das nicht möglich ist, bleibt die Gabe von Diabetesmedikamenten und/oder Insulin auch weiterhin die beste Therapie.1



DiRECT-Studie: Kann Typ-2-Diabetes wieder verschwinden?

Im Rahmen der britischen Studie DiRECT (Diabetes Remission Clinical Trial) untersuchten Forschende die Wirksamkeit von Lebensstiländerungen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes.3 Die Ergebnisse machen Hoffnung: Demnach kann die Stoffwechselerkrankung so weit zurückgehen, dass eine medikamentöse Behandlung nicht mehr nötig ist. Betroffene müssen hierfür jedoch einen hohen Einsatz bringen und bereit sein, ihren Lebensstil langfristig umzustellen.

Unter Lebensstiländerungen sind in diesem Zusammenhang folgende Faktoren zu verstehen:

  • Reduktion des Körpergewichts
  • Steigerung der Aktivität
  • Ernährungsumstellung

Diese Maßnahmen folgen auch der Nationalen Versorgungsleitlinie zur Therapie von Typ-2-Diabetes.4

Über die Studienteilnehmer:innen

Folgende Eigenschaften hatten die circa 300 Proband:innen der Studie:3

  • Alter zwischen 20 und 65 Jahre
  • Nicht insulinpflichtig
  • BMI im stark übergewichtigen bis adipösen Bereich
  • Diabetes-Diagnose in den letzten 6 Jahren

Im Gegensatz zur ebenfalls leitliniengerecht betreuten Kontrollgruppe stellte sich die Interventionsgruppe einer umfangreichen Lebensstiländerung und absolvierte das Programm „Counterweight-Plus“.

Vorgehen: Phasen der DiRECT-Studie

Die Teilnehmer:innen haben folgende 3 Phasen durchlaufen:3

  1. Zunächst setzten die Proband:innen ihre Medikamente im Zusammenhang mit der Diagnose ab. Dazu gab es 3 bis 5 Monate lang eine Ernährungsumstellung auf eine Formula-Diät. Diese beinhaltete nährstoffbilanzierte Shakes zum Mahlzeitenersatz mit insgesamt 825 bis 853 Kilokalorien pro Tag. In dieser 1. Phase verzichteten die Teilnehmer:innen auf Sport.
  2. Anschließend nahmen sie langsam wieder gewöhnliche Lebensmittel im Sinne einer angepassten Diabetes-Ernährung mit ausgewogener Mischkost zu sich.
  3. In der abschließenden Stabilisierungsphase erfolgten regelmäßige, individuelle Ernährungsberatung, psychologische Begleitung sowie wieder gesteigerte körperliche Aktivität.

Die Studienteilnehmer:innen wurden in dieser Zeit intensiv überwacht, um die Auswirkungen des Programms genau zu erfassen.

Ziele und Ergebnisse der Studie

Die DiRECT-Studie untersuchte, ob Typ-2-Diabetes so weit zurückgeht (Remission), dass sich die typischen Symptome verbessern und keine medikamentöse Behandlung mehr nötig ist. Das sollte sich an einer Verringerung des HbA1c-Wertes  auf unter 6,5 Prozent zeigen.3 Ziel war es, den Wert auch nach 1 Jahr und vor allem ohne die Einnahme blutzuckersenkender Medikamente zu halten.3

Die Proband:innen der Interventionsgruppe konnten ihr Körpergewicht im Vergleich zu denen der Kontrollgruppe deutlich stärker reduzieren.3 Auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Diabetes rückgängig gemacht wurde, lag in dieser Gruppe wesentlich höher.3 Insbesondere in der 1. Phase benötigten die Studienteilnehmer:innen ein hohes Maß an Motivation und Durchhaltewillen.3 Doch sie wurden mit weiteren positiven Effekten belohnt:3

  • Gesteigerte empfundene Lebensqualität
  • Niedrigere Blutfettwerte (genauer die Serum-Triglyceride)
  • Verbesserte Blutdruckwerte

Die Ergebnisse der DiRECT-Studie zeigen deutlich auf, dass eine Heilung von Typ-2-Diabetes durchaus möglich sein kann. Wichtig: Um die Symptomfreiheit aufrecht zu erhalten, ist für die Betroffenen ein aufmerksamer Umgang mit dem eigenen Körper und dessen sensiblen Stoffwechselvorgängen erforderlich. Die deutliche Reduktion des Körperfetts hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit der Bauchspeicheldrüse sowie die Wirksamkeit des Insulins.

Kann man Typ-2-Diabetes durch Senken des Körperfettanteils heilen?

Das Fettgewebe im Körper trägt zum äußeren Erscheinungsbild bei, wärmt und schützt ihn zudem. Zu viel davon wirkt sich jedoch schlecht auf die Gesundheit aus und bildet einen der Haupt-Risikofaktoren für die Entstehung von Typ-2-Diabetes.5

Problematisch ist insbesondere das Körperfett im Bauchraum, das sogenannte viszerale Fettgewebe. Der Bauchumfang gibt Aufschluss über das Risiko für Typ-2-Diabetes:6

  • Erhöhtes Risiko: über 80 cm bei Frauen, über 94 cm bei Männern
  • Deutlich erhöhtes Risiko: über 88 cm bei Frauen, über 102 cm bei Männern

Genau dieses Körperfett gilt es also zu reduzieren: Wer sich regelmäßig (am besten mehrmals wöchentlich) 30 Minuten am Tag bewegt, kann im Monat bis zu 500 Gramm Bauchfett abnehmen.6 Über 6 Wochen können Disziplin und Sport so dazu beitragen, das Risiko für eine Diabetes-Erkrankung zu senken.6

Auf diese Weise bringt eine gezielte Körperfettreduktion das Wechselspiel aus Blutzuckerwerten , Insulinbedarf und -produktion wieder ins Gleichgewicht. Dann lassen die typischen Diabetes-Symptome  nach und der Diabetes lässt sich so rückgängig machen.

So bekommen Sie Diabetes langfristig in den Griff

Möchten Sie selbst die Symptome und Auswirkungen Ihres Diabetes reduzieren? Dann haben wir hier einige Tipps für Sie:7

  • Genussmittel: Verzichten Sie auf das Rauchen und trinken Sie nur wenig Alkohol .
  • Lebensstil: Ändern Sie Ihre Gewohnheiten bezüglich Ernährung, Bewegung und Stressmanagement, um den Blutzuckerspiegel natürlich zu senken .
  • Abnehmen: Reduzieren Sie Ihr Körpergewicht und dabei ganz speziell das viszerale Fettgewebe am Bauch.
  • Beobachten: Mit regelmäßigen Blutzuckermessungen  bekommen Sie ein Gefühl für die Reaktionen Ihres Körpers.
  • Unterstützung: Stimmen Sie sich regelmäßig mit Ihrem behandelnden Diabetes-Team ab, sodass Sie stets eine:n Ansprechpartner:in haben. In Selbsthilfegruppen können Sie sich zusätzlich mit anderen Betroffenen austauschen.
  • Schulung: Informieren Sie sich, mit welchen Mitteln sich Ihre Behandlungsziele am besten erreichen lassen.
  • Motivation: Halten Sie sich Ihr Ziel immer vor Augen und bleiben Sie dran.

Gestalten Sie alle Veränderungen stets alltagstauglich, damit Sie diese langfristig beibehalten können.

Heilung von Typ-3-Diabetes – geht das?

Typ-3-Diabetes  ist ein Sammelbegriff für weitere Formen, die es neben Typ-1- und Typ-2-Diabetes noch gibt. Die Ursache sind dabei in der Regel andere zugrunde liegende Erkrankungen, genetische Defekte oder bestimmte Medikamente.

Da ein Typ-3-Diabetes immer an die bestehende Grunderkrankung gekoppelt ist, lässt er sich nicht eigenständig heilen.

Mehr zum Typ-3-Diabetes 

Quellen

1 Diabetes-Typ-2 ist vermeidbar – und heilbar. Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://gesundleben.asklepios.com/gesund-werden/therapie-und-nachsorge/….

2 100 Jahre Insulin: Die Geschichte des lebenswichtigen Hormons. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.diabetesde.org/100-jahre-insulin-geschichte-lebenswichtigen….

3 Lean, M. E., Leslie, W. S., Barnes, A. C., Brosnahan, N., Thom, G., McCombie, L., Peters, C., Zhyzhneuskaya, S., Al-Mrabeh, A., Hollingsworth, K. G., Rodrigues, A. M., Rehackova, L., Adamson, A. J., Sniehotta, F. F., Mathers, J. C., Ross, H. M., McIlvenna, Y., Stefanetti, R., Trenell, M., ... Taylor, R. (2018). Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. The Lancet, 391(10120), 541–551. https://doi.org/10.1016/s0140-6736(17)33102-1.

4 Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 2021, Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Teilpublikation der Langfassung, 2. Auflage. Version 1. https://doi.org/10.6101/AZQ/000475.

5 Durch dick und dünn: Was Sie über Ihr Körpergewicht wissen sollten. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.diabetesde.org/dick-duenn-koerpergewicht-wissen-sollten.

6 Viszerales Fett produziert mehr Entzündungsbotenstoff. Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie des Universitätsklinikums Düsseldorf. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.diabetes-deutschland.de/archiv/5159.htm.

7 Typ-2-Diabetes – wie läuft die Behandlung ab? Patienten-Information.de. Abgerufen am 31. Oktober 2022, von https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/diabetes-therapie.