Glutenfrei essen bei Diabetes und Zöliakie

Menschen mit Diabetes und Personen mit Zöliakie (umgangssprachlich: Glutenintoleranz) haben eines gemeinsam: Sie müssen ihre Mahlzeiten gut planen und die verzehrten Lebensmittel bewusst auswählen. Doch was, wenn Zöliakie und Diabetes gleichzeitig vorkommen? Hat eine glutenfreie Ernährung möglicherweise sogar Vorteile bei Diabetes?

Brot- und Brötchenauswahl: Bei Diabetes und Zöliakie ist eine glutenfreie Ernährung notwendig.

Diabetes und Zöliakie: Bedeutung für Betroffene

Bei Personen, die an einer Störung des Zuckerstoffwechsels leiden, liegt in den meisten Fällen Typ-1 oder Typ-2-Diabetes vor.1 Schon ohne weitere Begleiterkrankungen erfordert dies

  • eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Lebensmittelauswahl,
  • eine gute Kenntnis des eigenen Körpers und dessen Reaktionen sowie
  • Wissen über verschiedene Fachbegriffe und Abkürzungen, wie BE oder FPE.

Doch was ist Zöliakie eigentlich genau? Ebenso wie Diabetes ist Zöliakie eine chronische Erkrankung, die den gesamten Körper betrifft.2 Es handelt sich dabei weder um eine Allergie noch eine Unverträglichkeit.2 Stattdessen tritt eine autoimmune Reaktion auf, sobald Betroffene das Klebereiweiß Gluten verzehren.2 Es kommt zum Beispiel in Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste vor.2

Typische Symptome sind Durchfall, Blähungen und Appetitlosigkeit. Außerdem kommt es zu einer Entzündung der Darmschleimhaut, die wiederum dafür sorgt, dass sich die Oberfläche des Dünndarms verringert – der Körper kann dann nicht mehr ausreichend Nährstoffe aus der Nahrung ziehen.2 Bei Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel lassen die Beschwerden nach.2

Zöliakie und Glutensensitivität – wo liegt der Unterschied?

Während bei der Zöliakie wie oben beschrieben eine chronische Autoimmunerkrankung vorliegt, haben Personen mit Glutensensitivität eine Unverträglichkeitsreaktion auf glutenhaltiges Getreide, die jedoch weder autoimmun noch allergisch bedingt ist.3

Übrigens: Eine Glutenintoleranz, die etwa vergleichbar mit einer Laktoseintoleranz ist, gibt es nicht – egal ob mit oder ohne Diabetes. Sowohl die Zöliakie als auch die Glutensensitivität werden aber umgangssprachlich manchmal fälschlicherweise so bezeichnet.

Etwa 1 Prozent der deutschen Bevölkerung ist von Zöliakie betroffen.2 Wenn Zöliakie und Diabetes nun im Zweierpack erscheinen, dann ist das zunächst schwer zu verdauen. Eine Doppeldiagnose überrascht jedoch nicht: Zöliakie und Typ-1-Diabetes sind auf die gleichen Genvarianten zurückzuführen, die das Risiko für beide Erkrankungen erhöhen.4

Gut zu wissen:

Zöliakie bleibt meist lange unentdeckt.2 Insbesondere Personen mit Typ-1-Diabetes sollten daher aufmerksam sein und regelmäßig zur Kontrolle gehen.

Glutenfreie Ernährung bei Diabetes

Menschen mit Zöliakie sind darauf angewiesen, glutenfrei zu leben. Sie steigen oft einfach auf die glutenfreien Ersatzangebote um, die es in immer größerer Auswahl zu kaufen gibt. Doch wie sieht es bei vorliegendem Diabetes aus? Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich mit Diabetes glutenfrei zu ernähren. Es trägt jedoch zu keiner gesünderen und ausgewogeneren Ernährung bei. Vielmehr enthalten glutenfreie Produkte für Zwischendurch häufig mehr gesättigte Fettsäuren sowie Zucker als die Varianten mit Gluten.5

Wer sich jedoch ohne Zöliakie bewusst für eine glutenfreie Ernährung entscheidet, zum Beispiel um Gewicht zu verlieren, sollte auf die Ersatzangebote verzichten. Die haben nämlich oft mehr Kalorien als ihre Vorbilder.

Wer zusätzlich zum Diabetes eine Zöliakie hat und deshalb verstecktes Gluten meiden muss, verzichtet am besten komplett auf verarbeitete Nahrungsmittel wie Fast Food oder Fertiggerichte. Diese beinhalten Gluten nämlich so gut wie immer als Dickungsmittel, Stabilisator oder Strukturverstärker.

Wichtig:

Liegt keine Zöliakie oder Glutensensitivität vor, so ist es aus medizinischer Sicht unnötig, bei Diabetes eine glutenfreie Ernährung einzuführen. Im Gegenteil: Der Glutenverzicht geht automatisch mit einer geringeren Zufuhr an wichtigen Ballaststoffen sowie einer insgesamt ungünstigen Nährstoffzusammensetzung einher.5

Glutenfreie Lebensmittelauswahl: Was ist bei Diabetes zu beachten?

Unabhängig davon, ob überhaupt Diabetes oder Zöliakie vorliegen, ist eine glutenfreie Ernährung am gesündesten, wenn von Natur aus glutenfreie und damit eher unverarbeitete Lebensmittel auf den Teller kommen. Dazu gehören zum Beispiel:6

  • Obst und Gemüse
  • Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte ohne Marinade oder Panade
  • Eier
  • Kartoffeln
  • Hülsenfrüchte
  • Naturbelassene Milchprodukte wie Joghurt, Butter, Käse und Buttermilch
  • Marmeladen und Honig
  • Nüsse und Öle

Auch manche Getreidesorten sind von Natur aus glutenfrei:6

  • Reis und Wildreis
  • Hirse
  • Mais
  • Quinoa
  • Tapioka
  • Buchweizen
  • Amaranth
  • Kastanienmehl

Wenn Sie diese Ernährungsform ausprobieren möchten, egal ob für einen Gewichtsverlust oder bei Verdacht auf Zöliakie, sollten Sie unter anderem auf folgende Speisen verzichten:

  • Brot und Brötchen
  • Nudeln
  • Müsli
  • Pizza
  • Paniertes Fleisch
  • Bier
  • Kekse
  • Malzkaffee
  • Fertiggerichte

Ob bei Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, ob mit oder ohne Gluten: Es ist möglich, die Ernährung glutenfrei zu gestalten und dennoch auf natürliche Produkte zurückzugreifen. Die Auswahl an Ersatzprodukten ohne Gluten wächst stetig, sodass niemand zwingend auf die Lieblingsspeise verzichten muss.

Insbesondere, wenn Zöliakie und Diabetes gleichzeitig vorkommen oder Betroffene die Ernährung bei Diabetes aus anderen Gründen glutenfrei gestalten sollen, ist jedoch erhöhte Aufmerksamkeit nötig. Zuweilen enthalten die Ersatzprodukte mehr Stärke, Zucker und Fett, dafür aber weniger Ballaststoffe und Eiweiß. Die gegebenenfalls höhere Kohlenhydratmenge und ein eventuell höherer glykämischer Index lassen den Blutzucker stärker und schneller ansteigen – was Menschen mit Diabetes bei der Einschätzung des Bolus mit berücksichtigen müssen.

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Am Anfang ist es deshalb hilfreich, die Blutzuckerwerte öfter zu kontrollieren und ein Ernährungs-Tagebuch zu führen. Die Diabetes-Therapie bleibt dieselbe, aber der Speiseplan darf sich ändern: Am besten wählen Sie frische und unverarbeitete Zutaten, die von Natur aus glutenfrei sind, und essen möglichst abwechslungsreich. Wichtig ist es zudem, genug Ballaststoffe zu bekommen, denn so steigen die Blutzuckerwerte langsamer an.



Wie lässt sich glutenfreie Ernährung in den Diabetes-Alltag einbauen?

Eine Zöliakie macht es notwendig, sich über glutenfreie Ernährung schlau zu machen. Gerade bei gleichzeitigem Diabetes empfiehlt sich eine Ernährungsberatung. Außerdem sollten Sie über mögliche Glutenfallen wie Zahnpasta oder Tabletten Bescheid wissen. Auswahl- und Einkaufshilfen bieten zum Beispiel Apps wie ein Barcode-Scanner, der über Inhalts- und Nährstoffe zahlreicher Produkte informiert.

Ansonsten ist es möglich, sich nach Herzenslust von glutenfreien Trend-Diäten inspirieren zu lassen. Die haben nämlich eine Reihe an Rezepten mit sich gebracht. Auch ganz ohne Gluten lässt sich die Ernährung abwechslungsreich, gesund und schmackhaft gestalten.

Glutenfreie Ernährung in der Diabetes-Therapie

Die Behandlung von Typ-1- und Typ-2-Diabetes bleibt grundsätzlich auch dann unverändert, wenn Betroffene auf Gluten verzichten müssen. Das Ziel ist es, konstante Blutzuckerwerte im Normalbereich zu erreichen. Betroffene müssen deshalb unbedingt ihre Lebensmittelauswahl hinterfragen und die Reaktionen des Blutzuckerspiegels genau beobachten.

Bei Diabetes und einer Insulintherapie sind für die Ernährung mit natürlich glutenfreien Lebensmitteln in vielen Fällen etwas niedrigere Bolusmengen nötig. Bei einer oralen Diabetes-Therapie lassen sich die Antidiabetika unter Umständen leicht herabsetzen.

Unterstützung in Anspruch nehmen

Wollen Sie sich bei Diabetes glutenfrei ernähren – ob mit oder ohne Zöliakie –, so sollten Sie stets Ihr Diabetes-Team sowie eine geschulte Ernährungsfachkraft hinzuziehen.

Liegt bei Betroffenen ausschließlich eine Form des Diabetes vor, so ist die Entscheidung, auf Gluten zu verzichten, eine Individuelle. Anders sieht es aus, wenn Diabetes und Zöliakie gleichzeitig auftreten. Dann ist die glutenfreie Ernährung Pflicht, um die Gesundheit zu erhalten. Unbehandelte Zöliakie zieht Mangelerscheinungen und damit verbundene Komplikationen nach sich. Denn wenn das Immunsystem als Reaktion auf Gluten die Oberfläche des Dünndarms zerstört, behindert das die Nährstoffaufnahme.2 Bekommt der Darm keine Chance, sich zu erholen, bleibt er chronisch entzündet und Entzündungen können den Blutzuckerspiegel erhöhen.

Bei glutenfreier Kost regeneriert sich die Darmschleimhaut, das heißt, auch die Kohlenhydrataufnahme verbessert sich wieder. Dadurch kann sich der Insulinbedarf erhöhen. Von daher ist es durchaus normal, wenn die Zuckerwerte gerade zu Beginn der Ernährungsumstellung etwas stärker schwanken als gewohnt.

Diabetes-Risiko durch glutenfreie Ernährung?

Wichtig zu wissen: Der Verzicht auf Gluten geht oft unbewusst mit einer reduzierten Zufuhr an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen einher. Zudem sind glutenfreie Ersatzprodukte häufig reich an gesättigten Fettsäuren, Zucker und sonstigen Zusatzstoffen.5 Besonders wenn Sie zusätzlich zur Zöliakie auch Diabetes haben, sollten Sie die Zutatenlisten immer genau studieren, um die Reaktion des Blutzuckers sowie eine eventuell nötige Insulingabe genau abschätzen zu können.

Besteht bei Betroffenen kein Anhaltspunkt für Zöliakie, so ist der Verzicht auf Gluten unnötig. Aus Studien stellte sich sogar heraus, dass eine glutenfreie Lebensmittelauswahl einen schlechten Einfluss auf die Darmflora mit sich bringt. Zusätzlich steigt durch die eher verminderte Zufuhr an Ballaststoffen bei glutenfreier Ernährung das Risiko für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes.9

Der Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln stellt kein Risiko für die Entstehung von Typ-2-Diabetes dar. Sie müssen Ihr Essverhalten also nicht prophylaktisch umstellen. Entscheiden Sie sich, auch ohne die Diagnose Zöliakie, dennoch für glutenfreie Produkte, dann wählen sie solche, die von Natur aus ohne das Klebereiweiß auskommen.

Quellen

1 Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 | BMG. Abgerufen am 23. Januar 2023, von https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundhe….

2 Was ist Zöliakie? | DZG Online. Abgerufen am 14. Januar 2023, von https://www.dzg-online.de/was-ist-zoeliakie.

3 Glutensensitivität | DZG Online. Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG). Abgerufen am 24. Januar 2023, von https://www.dzg-online.de/glossar/glutensensitivitaet

4 Begleiterkrankungen | DZG Online. Abgerufen am 14. Januar 2023, von https://www.dzg-online.de/begleiterkrankungen.

5 Zöliakie und Diabetes. diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. Abgerufen am 14. Januar 2023, von https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/begleiterkrankungen_bei_diabe….

6 Glutengehalt von Lebensmitteln. Fachklinik Allgäu. Abgerufen am 23. Januar 2023, von https://www.fachklinik-allgaeu.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Ernae….

7 Abgerufen am 23. Januar 2023, von https://www.diabetesde.org/system/files/documents/fileadmin/users/Patie….

8 Einer Zöliakie gehen häufig Veränderungen der Darmflora voraus. Deutsches Ärzteblatt. Abgerufen am 23. Januar 2023, von https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/125554/Einer-Zoeliakie-gehen-hae….

9 Schumacher, B. Ernährung : Erhöhtes Diabetesrisiko bei Gluten-Verzicht. AerzteZeitung.de. Abgerufen am 14. Januar 2023, von https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Erhoehtes-Diabetesrisiko-bei-Glute….